Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
der Eule denken.
*
Während sich die edlen Damen am nächsten Morgen schickten, einen Platz auf der Tribüne zu ergattern, von der aus man besonders gut sehen konnte, hatten Knechte für die Gastgeber bequeme und erhöhte Sitzgelegenheiten aus der Burg herbeigeschafft. Als wäre sie eine Königin, entstieg Berta ihrer Sänfte und schritt an der Seite ihres Vaters den extra ausgelegten Teppich entlang. Sie hatten kaum Platz genommen, als Fanfaren den Einzug der Ritter ankündigten. Es waren fast zwanzig Adelsherren, die auf ihren Schlachtrossen herangaloppierten, dem Gastgeber und vor allem Berta den Gruß entboten und sich dann an die jeweiligen Bahnenden zurückzogen, bis die Reihe an ihnen sein würde. Den Turnierplatz hatte man umgebaut. Mit Schranken waren gerade Bahnen abgegrenzt worden, innerhalb derer die Ritter sich Mann gegen Mann messen würden. Wer gegen wen antrat, entschied das Los. Der jeweilige Sieger durfte am folgenden Tag erneut einreiten, für den Verlierer war der Wettstreit vorbei. Arigund hatte gehofft, wenigstens heute das Turnier gemeinsam mit Reimar genießen zu können, doch den hatte man seinem Bruder an die Seite gestellt, da es seit gestern keinen Knappen auf Burg Brennberg mehr gab. Die neuen würden erst am Ende der Feierlichkeiten mit ihnen ziehen. Stattdessen schlüpften die beiden Schwestern wieder an ihre Seite. Sie kamen reichlich spät, aber immer noch zeitig genug, denn die Herolde verkündeten eben die ersten Streiter. Sie galten gleichzeitig als Schiedsrichter und würden über die Treffer genau Buch führen.
»Danke, dass du uns einen Platz frei gehalten hast«, schnaufte Magdalena atemlos. »Das war sehr nett von dir.«
»Und, hast du Wirtho schon entdeckt?«, wollte Eustancia wissen.
Arigund deutete auf eine der hinteren Bahnen. Der Sohn des Truchsess wurde gerade auf sein Pferd gehoben. Er ritt dem ältesten der Falkensteiner Söhne entgegen.
»Na, da hat er schon einmal einen ernst zu nehmenden Gegner«, schätzte die jüngere der beiden Schwestern. »Gestern zumindest hat der zukünftige Herr von Falkenstein vorzüglich gekämpft.«
»Ach«, seufzte Magdalena, »ich wünschte, der würde sich für mich interessieren und nicht sein mittelloser kleiner Bruder.«
»Welches Pferd reitet unser Herr Wirtho denn?«, fragte Arigund, um sich nicht wieder Magdalenas Vorträge über »gute und schlechte Partien« anhören zu müssen. Eustancia schirmte die Augen gegen die noch tief stehende Sonne ab. »Das ist das Pferd seines Vaters«, stellte sie sachkundig fest. »Das verschafft ihm natürlich einen Vorteil.«
»Ehrlich?«, hielt die Kaufmannstochter das Gespräch am Laufen.
»Ja, ganz sicher. Mit dem Gaul könnte er eine echte Chance haben. Der ist, glaube ich, auf dem Turnierplatz geboren und stürmt voran, dass der Boden bebt.«
Das Pferd des Falkensteiners war um einiges zierlicher und tänzelte nervös, als ein Knappe versuchte, das Krönchen an der Lanze des Reiters festzumachen.
»Wie hübsch!«, stellte Arigund fest »Hier verziert man sogar die Waffen.«
Eustancia schüttelte den Kopf. »Da sieht man wieder, dass du noch nie bei einem richtigen Turnier dabei warst. Die edlen Herren kämpfen natürlich nicht mit scharfen Waffen. Es könnte ja einer umkommen. Dieser Tjost ist juste à plaisance. Die Lanzen werden mit den Krönchen stumpf gemacht.«
»Natürlich kommt trotzdem hin und wieder mal einer um«, ergänzte Magdalena mit gleichmütiger Stimme.
Eine weitere Fanfare kündigte an, dass die Ritter in die Schranken reiten sollten. Wirtho und die anderen schlossen die Visiere und begaben sich in die Ausgangsposition. Der Braune des Truchsess schritt erhaben nach vorne, als ginge ihn das Ganze nichts an, während das Pferd des Falkensteiners tänzelte und zum Schluss sogar stieg. Die Reiter legten die Lanzen ein. Der Braune schnaubte lediglich ein wenig. Kaum jedoch war das Startsignal erfolgt, da stürmte das riesige Tier voran, als hätte es plötzlich den Teufel im Leib. Das Pferd des Falkensteiners sprang zur Seite, doch der Reiter schien das Tier gut zu kennen und gab ihm die Sporen. Dennoch hatte er ein wenig von der Ideallinie eingebüßt, was ihn aber nicht von seinem Ziel abbrachte. Im letzten Moment hob er die Lanze ein wenig, um einen Treffer an Hals oder Helm zu landen. Wirtho dagegen hatte sich den Schild seines Gegners als Ziel gewählt. Mit einem mächtigen Krachen prallten die Gegner aufeinander. Beide Lanzen brachen. Der junge
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