Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
erschienen war. An diesem Abend würde es für sie keine hochgeistigen Gespräche mit Pater Anselm geben, denn an ihrer Seite hatte ihr Vater Platz genommen. Der unterhielt die Damen mit lustigen Anekdoten, und selbst die skeptische Magdalena hing bald an den Lippen des Handelsherrn. Seine Gattin Katharina hatte ihn wegen der fortgeschrittenen Schwangerschaft nicht begleiten können, erklärte der Patrizier, wann immer er danach gefragt wurde, mit stolzem Lächeln. Dann tätschelte er Arigunds Hand. Nachdem schließlich auch der letzte Gang aufgetragen worden war, kam es zum Unvermeidlichen. Herr von Eckmühl erhob sich und verkündete für jedermann vernehmbar die Verlobung seiner Tochter Berta mit dem Grafen zu Ortenburg. Die Gesellschaft sprach einen Toast aus und wünschte dem jungen Paar Glück.
Nachdem sich alle wieder gesetzt hatten, erhob sich zögerlich der Truchsess. Erneut wurde es still im Saal. Der Burgherr von Brennberg schluckte. Die Worte wollten ihm nicht so recht über die Lippen kommen. Lange sah er zu Herrn DeCapella herüber. Arigund hatte das Gefühl, Zorn in seinen Augen zu erkennen. Der Herr DeCapella jedoch nickte gleichmütig lächelnd. Der Brennberger räusperte sich und begann: »Auch das Haus Brennberg hat eine Verbindung zu verkünden. Es sei bekannt gegeben, dass mein Sohn und Erbe, Wirtho von Brennberg, Arigund, der Tochter des Kaufmanns DeCapella zu Regensburg, die Ehe verspricht.«
Arigund erbleichte, ebenso Kunigund von Brennberg. Wirtho sprang wütend auf, Reimar und Pater Anselm blickten entgeistert um sich.
»Das kann nicht sein!«, rief Reimar, erntete aber nur einen strafenden Blick seines Vaters.
Irgendwelche Hände zogen Arigund in die Höhe. Magdalena und Eustancia gurrten Glückwünsche und drückten sie zurück auf ihren Sitzplatz.
»Vater, wie konntest du das tun?«, hauchte Arigund entsetzt. Sie hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu fallen.
Der strahlte über das ganze Gesicht und meinte: »Na, das hast du nicht erwartet, Liebes, was, dass dein alter Vater dir einen Titel verschaffen kann? Du wirst Burgherrin sein, mein Kind. Ist das nicht wundervoll?«
»Das …, das ist furchtbar!«, schluchzte das Mädchen auf.
»Aber Kind, du wolltest doch …«, entgegnete der Kaufmann verständnislos. »Wenn man einmal versucht, es euch Frauen Recht zu machen …«, flüsterte er.
»Reimar ist es, den mein Herz begehrt! Reimar, nicht Wirtho.« Arigunds Stimme brach. Nur mit großer Mühe gelang es ihr, die Fassung zu bewahren. Ihr Vater beugte sich dicht zu ihr herüber, sodass nur sie seine Stimme hören konnte. »Aber Wirtho ist doch eine viel bessere Partie. Er wird die Burg erben. Denk doch, Kind!«
Für Fremde musste es den Eindruck erwecken, der Vater nähme seine Tochter liebevoll in den Arm, um ihr zu gratulieren.
»Wirtho ist ein Ungeheuer!«, brach es aus Arigund heraus.
»Sprich nicht so über deinen zukünftigen Gatten, Kind«, tadelte ihr Vater. »Ich habe ihn selbst kämpfen sehen. Er ist ein tapferer Mann. Er wird das Lehen bestens für meine Enkelkinder bewahren, wenn es ihm einmal anvertraut ist. Du und Annelies, ihr werdet ein gutes Leben haben. Die darf übrigens diesen Matthias heiraten, und Rossknecht wird er auch wieder, als Gnadenakt anlässlich deiner Hochzeit mit Wirtho.«
»Wohl eher, weil niemand mit den Pferden so umgehen kann wie er.«
»Sei’s drum: Es ist beschlossene Sache. Jetzt mach ein fröhliches Gesicht, mein Kind, die Leute möchten dir und dem jungen Brennberg ihre Glückwünsche überbringen.«
»Ich will diesen Kerl nicht heiraten!«, zischte Arigund erbost auf Italienisch, in der Hoffnung, dass so niemand ihr Wortgefecht verstehen würde. »Mach es rückgängig.«
Der Kaufmann rückte lächelnd von ihr ab, doch seine Augen brannten vor Wut. Er antwortete ebenfalls in seiner Muttersprache: »Wie stehe ich denn dann da? Du wirst den Brennberger ehelichen, und damit basta! Außerdem, denk auch an Annelies. Dieser Matthias ist nur ein gemeiner Pferdehirt, ein Wilder, der den Sommer im Wald verbringt und sich auf der Burg nicht blicken lassen darf. Glaubst du, für ihn und Annelies wird es noch einmal so eine Gelegenheit geben?«
»Er war ein Rossknecht, und zwar ein sehr guter, bevor Wirtho ihn halbtot geschlagen hat.«
»Dein zukünftiger Gatte wird seine Gründe gehabt haben. Zudem ist mir das egal. Ich hatte dich stets für Großes vorgesehen, und das hier ist etwas ganz Großes. Arigund, du hast die Gelegenheit, unsere
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