Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
Mitgift zu stellen. Diese sollte unter Arigunds Verwaltung bleiben. Unter vier Augen vertraute DeCapella seiner Tochter an, er befürchte, der Truchsess könne sich sonst des Geldes bemächtigen. DeCapella wollte aber keinesfalls, dass Annelies mittellos dastünde, sollte sie sich eines Tages entschließen, die Burg zu verlassen.
Die größte Enttäuschung für das Haus DeCapella war jedoch die Geburt des Kindes der Thundorferin. Allen Hoffnungen zum Trotz schenkte sie einem Mädchen das Leben. Wenig erbaut, überließ sie es einer Amme und kümmerte sich fortan nicht mehr weiter darum. Arigund wunderte sich nicht, als sie kurz vor der Abreise nach Brennberg erfuhr, dass ihre Stiefmutter erneut schwanger war.
All dies ging Arigund jetzt durch den Kopf, als sie am Tag ihrer Hochzeit durch das Portal der Burgkapelle schritt. Sie hatte darauf bestanden, die Nacht betend in der Kirche verbringen zu dürfen. So blieb ihr wenigstens das Festbankett erspart und Reimars Anblick. Schon bei dem Gedanken, ihn so nahe zu wissen und doch für immer unerreichbar, wollte ihr das Herz zerspringen.
Andächtig schritt sie den Mittelgang entlang auf das hölzerne Kruzifix zu. Hier hatte sie Reimar zum ersten Mal gesehen. Es schien erst gestern gewesen zu sein. Jeder von ihnen hatte mit seinem Schicksal gehadert: Arigund, weil man sie aus der Wahlenstraße vertrieben hatte, und Reimar, weil er den Anforderungen seines Vaters als Ritter nicht genügte. Gegenseitig hatten sie sich im vergangenen Sommer neuen Mut gegeben. Und schien es nicht so, als hätten sich ihre Schicksalsfäden dadurch für immer verwoben? Nur Lug und Trug! Das Schicksal meinte es nicht gut mit ihnen. Tränen liefen Arigund herunter, als sie vor dem Herrn Jesus kniete und ein Wunder erflehte.
Mit einem Mal spürte sie eine Hand auf der bebenden Schulter, ganz leicht. Sie hob den Kopf und sah in Pater Anselms verhärmtes Gesicht.
»So verzweifelt, mein Kind?«, fragte er mit sanfter Stimme.
Das Mädchen nickte. Der Priester umschloss mit seinen knotigen Händen das hölzerne Kreuz, das er stets um den Hals trug.
»Warum kann er nicht Berta heiraten?«, schluchzte Arigund. »Die hätte Wirtho für ihr Leben gern genommen.«
Pater Anselm machte ein schuldbewusstes Gesicht. »Nun, ich war nicht ganz unbeteiligt. Ich gab Abt David von Augsburg ein Bildnis von der Eckmühlerin mit der Bitte, er möge dafür sorgen, dass ein anderer Ansprüche auf Berta erhebt.«
»Was?«, hauchte das Mädchen.
Entschuldigend zuckte der Geistliche mit den Schultern. »Sie wäre eine entsetzliche Burgherrin geworden. Gemeinsam mit Wirtho, ich mag gar nicht daran denken. Hätte ich allerdings gewusst, dass man dich an ihre Stelle setzen würde, niemals hätte ich all das getan. Es tut mir leid.«
»Aber Ihr wusstet doch, wie sehr Wirtho mich hasst. Und auch ich verabscheue ihn.«
»Ich weiß, meine Tochter, ich weiß! Was habe ich nur getan!« Der Pater hob seine Hände in Richtung des Kreuzes. »Ich habe deinem Vater direkt in die Hände gespielt.«
»Meinem Vater?«, hakte Arigund nach.
»Prior David berichtete mir – unter dem Siegel der Verschwiegenheit –, Euer Vater habe von Anfang an geplant, Euch mit Wirtho zu verheiraten. Deshalb gab er dem Truchsess stets Kredit, auch als es sonst keiner mehr tat. Euer Vater trieb den Ritter in die Schuldenfalle, und als er sich ganz und gar darin verstrickt hatte, da forderte er vom Truchsess seinen Sohn als Gatten für dich, mein Kind.«
»Ein abgekartetes Spiel also?« Arigund schluckte, obwohl sie es sich ja bereits selbst ausgemalt hatte. Mochte diese Heirat den Kaufmann auch viel Geld gekostet haben: Unterm Strich würde seine Rechnung aufgehen.
Behutsam legte Pater Anselm seine Hand auf Arigunds Arm. »Hast du deinem Vater denn nicht gesagt, wie sehr du Wirtho verabscheust?«
»Doch, sicher.«
»Aber er wollte davon nichts hören«, stellte der Priester fest.
Eine Weile schwiegen beide. Arigund liefen erneut die Tränen herunter.
»Was soll ich nur tun, Vater?«, flehte das Mädchen schließlich. »Was soll ich nur tun? – Heirate ich diesen Mann, wird es die Hölle auf Erden, heirate ich ihn nicht, entehre ich damit meinen Vater und bringe Unglück über Annelies und Matthias.«
Der Priester tat, als müsste er eine Weile überlegen. Schließlich sagte er: »Niemand kann dich zwingen, die Ehe mit einem Mann einzugehen, den du nicht liebst.«
Im Blick des Priesters lag etwas Lauerndes, doch Arigund klammerte sich an
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