Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
Schwert. Sein Sohn funkelte wütend, noch war er nicht gewillt nachzugeben, aber er sagte kein Wort.
»Das Recht an der Frau in dieser Nacht gebührt dem Truchsess, und das bin immer noch …?«, fuhr Herr Reimar fort.
Wirtho senkte den Blick. »Ihr, Vater, es steht Euch zu«, entgegnete der Ritter widerwillig. »Ich dachte lediglich, Ihr hättet kein Interesse …«
»Wie du nur darauf kommst, Wirtho?«, meinte Herr Reimar mit etwas sanfterer Stimme. »Habe ich dir Grund zu der Annahme gegeben oder dir gar meine Rechte abgetreten?«
Wirtho warf Annelies einen letzten begehrlichen Blick zu. Dann gab er ihr einen derben Stoß.
»Also, da ist sie«, knurrte der junge Mann und ließ von der Zofe ab. »Von mir gänzlich unversehrt. Wie es allerdings der da gehalten hat« – er deutete auf Matthias – »das kann ich nicht sagen.«
Der Truchsess lächelte. »Er wird kaum die Gelegenheit zur Hurerei gehabt haben, hast du ihn doch eigenhändig in den Turm werfen lassen. Und jetzt, Wirtho, werde ich dich zu deiner Braut begleiten. Die wartet nämlich auf dich und erwartet, dass du deine Pflicht tust, damit das Geschlecht der Brennberger zu einem würdigen Nachfolger gelangt. Erhebe dich also und komm mit mir.«
Dann drehte sich der Truchsess zu Matthias um: »Und du, sorge dafür, dass mich nachher diese da empfängt, wie es sich für das Weib eines Hörigen gebührt. Wage nicht, das Lager mit ihr zu teilen, bevor nicht für alle sichtbar ist, dass sie ihrem Herrn gegeben hat, was ihm gebührt.«
Nach diesen Worten verließ er den Raum.
*
Matthias wischte sich das Blut aus dem Gesicht. Seine Lippe war aufgeplatzt, und der Tritt schmerzte höllisch. So schnell er konnte, kam er zu Annelies herüber und befreite sie. Dann lagen sie sich eine Weile wortlos in den Armen.
»Es tut mir so leid, Liebes, so unendlich leid«, flüsterte Matthias immer wieder. »In was habe ich dich da bloß hineingezogen.«
Annelies rückte ein Stück von ihrem Mann ab. »So etwas darfst du nicht sagen. Du hast mich in nichts hineingezogen. Es war meine Entscheidung, hierher zurückzukehren, und ich habe es getan, weil ich dich liebe.«
Behutsam streichelte der Knecht ihr Haar. »Genau das ist es ja. Du hättest etwas Besseres verdient als einen hörigen Knecht. Ein freier Tuchhändler oder ein Handwerksmeister hätten dir zu Gesicht gestanden.«
»Ich wollte aber keinen Tuchhändler, sondern dich.«
Erneut wollte Matthias etwas einwenden, doch Annelies winkte ab. »Lass uns lieber beraten, was jetzt zu tun ist«, schlug sie vor.
Der Knecht musterte eingehend seine Fingerspitzen. »Wir wissen doch beide, dass wir den Kürzeren gezogen haben. Der Truchsess und seine Familie werden sich stets nehmen, was ihnen beliebt.«
»Nun, für den Moment magst du Recht haben, aber es muss nicht so bleiben.«
Annelies hockte sich vor den Knecht hin und nahm seinen Kopf in ihre Hände. »Lass uns von hier weggehen, Matthias. Lass uns fliehen.«
»Das sagst du so einfach. Wir sind arme Leute und können nicht einfach fort. Ich habe im Wald gelebt und bin heilfroh, wieder auf der Burg sein zu dürfen. Da draußen gibt es nichts als Not. Wir werden hungern und uns schnell wünschen, uns in unser Schicksal gefügt zu haben. Zudem werden der Truchsess und Wirtho uns jagen. Gnade uns Gott, wenn sie uns erwischen. Bevor ich wieder ins Loch gehe, möchte ich lieber von eigener Hand sterben.«
»Ich auch, wie du weißt«, entgegnete Annelies, »aber sie müssen uns ja nicht erwischen. Du kennst den Wald jetzt und wirst uns sicher ans Ziel bringen.«
»Das stellst du dir so einfach vor. Dort draußen ist es ungeheuer gefährlich und nicht nur der wilden Tiere wegen. Alleine sind wir schutzlos.«
»Lass uns in die Stadt gehen, nach Landshut. Dort wird man uns nicht suchen. Nach einem Jahr bist du ein freier Mann.«
»In die Stadt, bist du von Sinnen? Da können wir gleich von den Zinnen springen. In der Stadt sterben die Leut’.«
»Was für ein Unsinn. Ich bin in der Stadt geboren und putzmunter.«
»Und wovon sollten wir leben?«
»Ich gehe für das eine Jahr wieder in Stellung. Danach könntest du als Fuhrknecht oder gar als Kutscher arbeiten.«
»Das sagt sich so leicht dahin. Man braucht ein Empfehlungsschreiben …«
Die Zofe winkte ab. »Das lass meine Sorge sein. Ich kann mit Feder und Tinte umgehen. Frau Arigund hat’s mir beigebracht. Mag ich die Buchstaben auch nicht so schön formen wie sie, für unsere Zwecke wird es
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