Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
fauchte Wirtho.
»Und ob ich das kann: Sollte dieses Weib nämlich nicht binnen eines Jahres einen Erben von dir gebären, dann wirst nicht du, sondern dein Bruder Reimar Herr auf Burg Brennberg sein.«
Wirtho ballte die Faust. Einen kurzen Moment lang sah es so aus, als wollte er sich mit seinem Vater schlagen. Doch dann sagte er nur: »Ich verabscheue dich, Truchsess.«
»Tu das«, erwiderte der ruhig, »aber zeuge einen Erben, und damit ich sichergehen kann, fang gleich damit an.«
Energisch schubste er seinen Sohn den Gang entlang bis zum Hochzeitsgemach. Eigenhändig öffnete der Truchsess die Tür und versperrte seinem Sohn den Ausweg. Der trat widerwillig ein. Seine Mutter saß neben Arigund, hielt deren Hand und redete leise auf sie ein. Als sie ihren Sohn erblickte, nickte sie kurz, erhob sich und verließ das Zimmer. Wirtho wollte die Tür schließen, doch sein Vater schüttelte den Kopf: »Die bleibt offen. Sei gewiss, ich bleibe in der Nähe und werde über euch wachen. – Und denk daran, Wirtho: Es gebührt einem Ritter, sein Weib mit Achtung zu behandeln.«
K APITEL 18
A PRIL 1270
Die ersten wärmenden Sonnenstrahlen blinzelten freundlich durch das offene Fenster. Zwar gelang es ihnen noch nicht, die klamme Kälte aus den gewaltigen Mauersteinen zu verbannen, die sich unangenehm im Frauenzimmer hielt, aber sie gab durchaus Anlass zur Hoffnung, dass die dunklen Tage verstrichen waren, die Wochen, in denen der Nebel Burg Brennberg in seiner Umklammerung hielt. Heute wagte der Hahn zum ersten Mal wieder, den frühen Morgen zu begrüßen und wichtigtuerisch mit den Flügeln zu schlagen. Die aus ihren Winterquartieren heimkehrenden Vögel stritten sich lauthals um die besten Brutplätze und die adrettesten Weibchen.
Arigund saß gemeinsam mit Annelies im Frauenzimmer, jede mit der Änderung eines Kleides beschäftigt und mit einem im Feuer erhitzten Stein an den Füßen, der angenehme Wärme unter ihren Röcken verbreitete. Das Licht drang spärlich durch das seit Neuestem mit Glas versehene Fenster – ein Geschenk des Herrn DeCapella. Es reichte nicht aus für die feinen Näharbeiten, sodass ein weiteres der wertvollen Talklichter geopfert werden musste. Trotzdem mussten die jungen Frauen die Augen zusammenkneifen, um Nadel und Faden gezielt setzen zu können. Es war anstrengend, bei diesem schlechten Licht zu arbeiten, und es wäre einfacher gewesen, wenn sie gewartet hätten, bis die Sonne höher am Himmel stand. Andererseits genossen die beiden diese ruhigen Stunden und nutzten die Zeit zum Plaudern.
Beiden Frauen sah man ihre Schwangerschaft mittlerweile deutlich an, wobei Annelies mit jedem Monat mehr aufzublühen schien, während Arigund blass und mitgenommen wirkte. Sie hatte wochenlang kaum Nahrung bei sich behalten können und den Winter nur am warmen Kamin überstanden. Es gab Zeiten, da hatte sie einfach sterben wollen. Frau Kunigund hatte sich höchstpersönlich um das Wohlergehen des Mädchens gekümmert und ihr vor allem Ruhe verordnet. Annelies musste ihrer Herrin jeden Wunsch von den Augen ablesen, und Resl, die Kräuterfrau, wurde damit beauftragt, mit Honig gesüßte Tees zu brauen. Der Koch war angewiesen, besonders leicht verdauliche Speisen zu kochen und darauf zu achten, dass ja nichts Verdorbenes auf Arigunds Teller kam. Besuche wurden konsequent von der jungen Frau ferngehalten. Doch wer hätte schon kommen sollen? Der Winter war früh hereingebrochen. Meterhohe Schneewehen hatten die Straße nach Werth über Nacht unpassierbar gemacht und die Burg vom Rest der Welt abgeschnitten. Wer Brennberg im Herbst verlassen hatte, bekam bis zum Frühjahr keine Gelegenheit zur Rückkehr. So war es auf Frau Kunigunds Minnehof ruhig geworden. Die beiden Rabenstein-Mädchen verbrachten den Winter zu Hause. Dem Vernehmen nach war Magdalena dem jungen Falkenstein anverlobt worden, der schon beim Turnier heftig um sie geworben hatte. Beim Abschied hatte Arigund das heulende Mädchen getröstet, das seine hochfliegenden Pläne, einmal Burgherrin zu werden, nun begraben musste.
»Wer weiß«, hatte Arigund gemeint, »womöglich wird sich dein Ritter noch sein Lehen erstreiten, hat er sich doch auf dem Turnier als vorzüglicher Kämpfer erwiesen.«
Eustancia erfuhr, dass sie fürs Kloster vorgesehen war, nachdem ihre jüngere Schwester, die eigentlich dafür bestimmt war, im Sommer von der Schwindsucht dahingerafft worden war. Frau Kunigund wollte zwar neue Mädchen bei sich aufnehmen, aber
Weitere Kostenlose Bücher