Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
reichen.«
»Annelies, diese Pläne mögen verlockend klingen, wenn man sie in einer warmen Stube schmiedet, die Wirklichkeit sieht aber ganz anders aus. Wie willst du überhaupt nach Landshut gelangen ohne Pferde? Weißt du, wie weit das ist?«
»Ich habe meine Mitgift. Wir können Pferde kaufen.«
»Deine Mitgift wird von Frau Arigund verwaltet, und die ist jetzt mit Wirtho verheiratet. Sie ist eine von denen, verstehst du?«
»Arigund wird niemals ›eine von denen‹ sein. Sie wird uns helfen.«
Matthias seufzte. Es machte keinen Sinn, weiter mit Annelies zu debattieren. Sie mussten jetzt an das Naheliegende denken. Er nahm ihre Hände und küsste die Fingerspitzen.
»Liebste, es fällt mir so unendlich schwer, dich darum zu bitten, aber wenn der Herr Reimar zurückkommt, dann …« Dem jungen Mann brach die Stimme. Annelies griff nach seinen Händen und sah ihn fest an.
»Ich wollte so gern, dass du der erste Mann für mich bist, mein Liebster, doch wenn es sich nicht vermeiden lässt, dann lieber der Truchsess als Wirtho. Mir tut die Herrin von Herzen leid, die den Rest ihres Lebens an ihn gekettet ist. Sie wird viel Trost brauchen in nächster Zeit.«
Verzweifelt nahm Matthias seine Frau in die Arme. »Ich liebe dich so sehr!«, versicherte der Knecht noch einmal. »Du bist eine kluge Frau, und sei versichert – denn ich habe die Luise davon erzählen hören –, der Herr Reimar ist ein edler Ritter, der keiner Frau Gewalt antut. Ganz im Gegenteil, wenn sie ihm wohlgefällig gegenübertritt – und das wirst du doch tun, Annelies, oder? –, dann verwöhnt er sie mit Geschenken und gönnt ihr allerlei Vergünstigungen.«
»Versprichst du, über meinen Plan nachzudenken, so soll es geschehen. Außerdem wird es die Herrschaft in Sicherheit wiegen. Umso schneller können wir von hier weg.«
Matthias nickte wenig überzeugt. Niedergeschlagen hob er Hemd und Hose auf, kleidete sich an und ging zu den anderen Knechten.
*
Reimar von Brennberg war ehrlich erschüttert. Was er gesehen und gehört hatte, ließ ihn ernsthaft daran zweifeln, ob sein Erstgeborener die charakterliche Stärke besaß, Titel und Lehen eines Truchsess zu beerben. Nur mühsam hatte der Burgherr seinen Zorn zurückhalten können. Er wollte keine Auseinandersetzung vor Zeugen, schon gar nicht vor dem Gesinde. Jetzt aber war er mit Wirtho allein. Er packte seinen Sohn derb am Arm, drückte ihn gegen die kalten Burgmauern und zischte: »Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, Bursche? Wolltest du dich an deiner Frau rächen, indem du in eurer Hochzeitsnacht statt mit ihr mit ihrer Zofe das Bett teilst?«
»Die ist mir dreimal lieber als das dürre Weib, das du mir dort hineingelegt hast, Vater!«, entgegnete Wirtho trotzig. Er stieß den Truchsess zurück und grollte: »Du hast deinen Willen gehabt. Ich hab die Krämerstochter geheiratet und damit deine Schulden beglichen, doch einen Stammhalter werd ich nicht mit ihr zeugen.«
Hochmütig versuchte der junge Ritter, sich davonzumachen. Da packte sein Vater ihn barsch am Genick und zwang ihn zu Boden. Zunächst wehrte sich Wirtho, doch sein Vater verfügte über Bärenkräfte. Keuchend gab der junge Ritter nach.
»Narr«, wies der Truchsess den jungen Mann zurecht, »sei froh, dass wenigstens dein Weib wirtschaften kann. Wenn man dich mit dem Lehen allein ließe, wäre dein Erbe binnen Kurzem versoffen und verspielt, und dann war’s das auch mit dem Amt des Truchsesses. Der Bischof will nämlich seine Steuern von uns.«
»Dann nimm sie doch selbst, alter Mann, und pflanz ihr deinen Samen ein! Mir soll’s recht sein, ich nehm so lang die Zofe.«
In diesem Moment rutschte dem Truchsess die Hand aus. Wirtho grunzte überrascht, aber kein Schmerzenslaut kam über seine Lippen. Lediglich seine Augen funkelten zornig.
»Dein Sohn wird unsere Linie erhalten«, zischte der Truchsess. »Er wird von deinem Blut sein, so wie du von meinem bist. Was ist die Mutter denn schon mehr als das Gefäß, das den Samen des Mannes aufnimmt und bebrütet? Wir Männer sind es, die das Geschlecht erhalten.«
»Dann wird eine andere das für mich tun«, beharrte Wirtho. Sein Vater schüttelte fassungslos den Kopf. Wie dumm war dieser Kerl in seinem Trotz!
»Kein anderes Kind wird als legitim angesehen werden. Arigund ist deine dir rechtmäßig angetraute Frau. Sie muss den Spross austragen. Es ist deine Pflicht, dafür zu sorgen, dass es so weit kommt.«
»Du kannst mich nicht zwingen, Vater!«,
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