Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
Zofe weiter. »Ich hoffe nur, ich muss mein Dirndl nicht noch mal ändern. Dann sieht es aus wie ein Sack.«
Sie legte ihr Kleid zur Seite und begann Arigund zur Hand zu gehen. »Der Truchsess sah blass aus gestern beim Nachtmahl, und er hat kaum etwas gegessen«, stellte Annelies fest.
Normalerweise klammerten die beiden den Truchsess und Frau Kunigund bei ihren Gesprächen aus. Andererseits war ihnen durchaus bewusst, dass es Reimar von Brennberg war, der seine schützende Hand über sie beide hielt.
»Soviel ich weiß«, berichtete Arigund deshalb zögerlich, »klagte er über Zahnschmerzen.«
»Das klingt gar nicht gut. Hat er den Bader schon gerufen?«
»Nein, noch nicht. Er wird es schon noch tun, denke ich. Führt ja kein Weg daran vorbei, wenn es schlimmer wird.«
»Was bin ich froh, dass ich ein gutes Gebiss habe. Matthias hat auch ständig Probleme, vor allem mit dem abgebrochenen Schneidezahn. Der ist schon ganz schwarz.«
»Dann lohnt es sich für den Bader wenigstens.«
»Ich fürchte eher nicht. Wovon sollen wir denn seine Dienste bezahlen?«
Vorsichtig sah sich Arigund um. Dann griff sie tief in die Tasche ihres Gewandes und holte einen halben Regensburger Pfennig hervor. »Hier, nimm und bezahl ihn davon.«
»Aber, Herrin …«, wollte Annelies protestieren.
»Nimm schon, schließlich war es mein Gatte, der den Schaden verursacht hat, da kann er ihn auch bezahlen.«
Energisch drückte Arigund der Zofe die Münze in die Hand.
»Vergelt’s Gott«, flüsterte Annelies und schloss die Faust. Vielleicht knöpfte ihr der Bader ja nicht das ganze Geld ab. Dann konnte sie den Rest sparen. Die Zofe streckte den Rücken und sah durch das Fenster. Das Leben auf der Burg begann sich zu regen. Annelies stand auf und meinte: »Wenn Ihr erlaubt, Herrin, dann würde ich jetzt gehen. Der Koch erwartet, dass ich Wasser bringe.«
»Wird dir die Schlepperei nicht zu viel?«, erkundigte sich Arigund. »Das könnte doch auch jemand anders machen. Soll ich mich darum kümmern?«
»Ich danke Euch, Herrin, aber noch geht es. Vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt.«
»Nun denn, auch ich sollte mich allmählich aufmachen. Frau Kunigund hat mich gebeten, bei den Büchern zu helfen.«
Gemeinsam räumten sie auf, dann ging jede ihrer Wege. Arigund seufzte leise über ihren dicken Schwangerschaftsbauch. Er machte sie unbeweglich und plump. Sie war es gewohnt, flink durch die Burg zu huschen, doch diese Zeiten schienen für die nächsten Monate vorbei zu sein. Einmal mehr dachte sie darüber nach, ob sie dieses Kind wohl so lieben würde können, wie sie es zweifellos getan hätte, wenn Reimar der Vater wäre. Reimar. Wo war er jetzt wohl? Wie war es ihm ergangen, seit er die Burg verlassen hatte? Jedesmal, wenn sie versuchte, die Sprache auf den Zweitgeborenen zu bringen, wich man ihr aus. Der Truchsess wechselte meist rasch das Thema, und Frau Kunigunds Blick wurde glasig, als würde sie nur mit Mühe Tränen unterdrücken. War ihr Jüngster am Ende gar nicht mehr am Leben, und niemand wagte es, Arigund die schlechte Nachricht zu überbringen? Andererseits sah die Kaufmannstochter zuweilen Boten in den Burghof sprengen, die dann eilig zur Gattin des Truchsess durchgewunken wurden.
Arigund traf die Burgherrin in der Schreibstube, wo sie Pater Anselm einen Brief diktierte. Die Stimmung zwischen den beiden war seit Arigunds Hochzeit angespannt. Frau Kunigund nahm immer häufiger die Hilfe ihrer Schwiegertochter in Anspruch, wenn es um das Anfertigen von Schriftstücken ging. Arigund hatte sogar schon Gerüchte gehört, die Burgherrin würde sich um einen neuen Kaplan bemühen. Auch Arigunds Verhältnis zu dem Geistlichen war nicht mehr wie früher, vor allem, seit der Priester von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte. So zog er sich denn auch unter dem Vorwand, seinen Gottesdienst vorbereiten zu müssen, rasch zurück.
»Meine Liebe, wie geht es dir heute?«, erkundigte sich die Burgherrin aufmerksam, als sie allein waren.
»Ich bin zufrieden«, gab das Mädchen zurück.
»Es ist wirklich sehr entgegenkommend von dir, mir bei diesen Büchern zu helfen. Ich werde aus den Zahlen nicht schlau und habe stets das Gefühl, die Einnahmen stimmten mit den Ausgaben nicht überein.«
»Ihr meint, es fehlt Geld?«
Irritiert sah Frau Kunigund auf. Die direkte Art ihrer Schwiegertochter verwirrte sie stets.
»Darf ich?«, fragte Arigund und deutete zu den Pergamenten, die wild verstreut umherlagen. Die Burgherrin war
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