Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
Burg, jemanden, der sich an unserem Vermögen bedient, als wäre es sein eigenes.«
Wirtho hörte gar nicht zu. Sein Blick suchte Waldemar und Sigurd, doch die waren nirgends zu entdeckten. Deshalb entging ihm auch Arigunds hektisches Kopfschütteln. Sie deutete mit dem Finger an, dass Kunigund besser schweigen sollte. Die Burgherrin machte ein fragendes Gesicht. Allerdings interessierte sich Wirtho sowieso nicht für ihr Weibergeschwätz.
»Wir werden schon nicht verhungern«, meinte er lapidar. »Bei den jungen Pferden ist eines, das meinem Maestoso aufs Haar gleicht. Ich werde Vater bitten, es mir zu überlassen.«
Kunigund seufzte: »Tu das, mein Sohn.«
Die Herrschaften setzten sich, und die Küchenmägde begannen aufzutragen. Unvermutet wandte sich Wirtho an seine Frau: »Welche von denen ist denn nun diese Luise?«
Arigund sah ihn überrascht an. Dann ließ sie den Blick über die Dienstboten schweifen. »Sie ist nicht hier«, gab sie ihrem Gatten Bescheid. »Möglicherweise ist sie in der Küche beschäftigt.«
»Aha«, sagte Wirtho abwesend, »und wie sieht sie aus?«
Arigund wurde hellhörig. »Nun, wie eine Magd eben so aussieht …«
»Gib gefälligst richtig Antwort«, herrschte Wirtho sie an. »Jung, alt? Schwarzes oder helles Haar?«
»Wenn ich mich nicht irre, dann ist ihr Haar von dunklem Braun. Soll ich sie holen lassen?«
Ihr Mann winkte ab. »Das kann ich selbst, wenn es mir beliebt.«
Die beiden Frauen warfen sich einen langen Blick zu. »Wirtho, nach dem Nachtmahl wünscht dein Vater, dich zu sehen«, gab ihm Frau Kunigund Bescheid.
»Ja, ja, jetzt lass mich endlich in Ruhe essen«, fertigte der junge Ritter sie ab. Er aß so hastig und schnell, dass die anderen kaum ihren gröbsten Hunger gestillt hatten, als er schon wieder aufstand und damit das Mahl beendete.
»Da wünscht man sich, beim Gesinde zu sein«, hörte Arigund die Ritter murren, die am weitesten entfernt saßen und deshalb als Letzte bekommen hatten, »die dürfen die üppigen Reste jetzt unter sich aufteilen.«
Arigund tat so, als hätte sie nichts gehört und verabschiedete sich. Wegen der Markierung der Münzen wollte sie noch rasch mit Annelies reden und dann dem alten Truchsess einen Besuch abstatten.
Das Gespräch mit der Zofe dauerte nur kurz. Auf Arigund machte Annelies den Eindruck, als wäre sie mit ihren Gedanken ganz woanders. Doch da sie auf alle Nachfragen nur einsilbig antwortete, dass alles bestens sei, musste sich Arigund damit zufriedengeben, dass die Zofe ihre Sorgen für sich behalten wollte. Vielleicht ergab sich später noch einmal eine Gelegenheit. Als die junge Frau schließlich das Zimmer des Truchsess erreichte, hörte sie laute Stimmen. Die Tür flog auf, und ihr Gatte rannte sie beinahe über den Haufen. Wortlos stürmte er weiter. Verwundert trat Arigund in die Kemenate des Truchsess. Sie fand den Burgherren in einem schlimmen Zustand vor. Seine rechte Kopfhälfte war geschwollen wie ein reifer Apfel. Tief eingefallene Augen starrten aus dem totenblassen Gesicht wie zwei schwarze Kastanien. Seine Sprache war verschwommen und erschöpft.
»Blick nicht so ernst drein, mein Kind«, murmelte Reimar von Brennberg. »Es ist nur ein dummer Zahn. Hab schon manchen verloren bei einem guten Kampf, doch keiner hat so viel Übel bereitet, wie dieser.«
»Ihr seht nicht gut aus, hoher Herr«, meinte Arigund nüchtern.
Der versuchte ein schiefes Grinsen, was ihm jedoch misslang. »Wärst du ein Kerl, würd ich dich für diese Bemerkung auspeitschen lassen«, scherzte er, »aber es ist gut, dass du keiner bist, denn dein Anblick lässt mein Herz schneller schlagen. Setz dich zu mir und lass mich meinen Enkel fühlen.«
Er klopfte mit der flachen Hand auf den Platz neben sich. Arigund tat wie ihr geheißen und war dann doch erstaunt, als der Ritter seine knochige Hand hob und behutsam über ihren Bauch strich. Die Berührung hatte etwas Vertrautes und war von so inniger Zärtlichkeit, wie Arigund es dem Raubein niemals zugetraut hätte. Eine Weile sagte keiner von beiden etwas.
»Arigund, du wirst doch dafür sorgen, dass er meinen Namen trägt, nicht wahr?«
»Gewiss.«
»Und Wirtho wird damit einverstanden sein?«
»Warum sollte er nicht? Zudem, Ihr seid der Truchsess. Ihr könntet es so bestimmen.«
Der Burgherr ließ seine Hand sinken. »Ja, sicher, das könnte ich. Nur manchmal denke ich, was, wenn etwas dazwischenkommt? Doch still, hörst du das auch?«
Arigund nickte. Den ganzen Winter
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