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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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würden den Tag perfekt machen. Halbherzig erledigte er die Runde durch den Wehrgang, wie es ihm sein Vater aufgetragen hatte, kontrollierte die Wachknechte und ordnete ein paar kleinere Reparaturen an den Mauern an, dann schickte er sich, in die Wachstube zu kommen. Seine Freunde saßen bereits bei einem vollen Krug Bier und lamentierten über Gott, die Ungerechtigkeiten der Welt und vor allem über »Weiber«.
    »Weiß gar nicht, warum sich die Luise so hat«, klagte Sigurd gerade, »beim Ferdl hat sie sich auch nicht so angestellt.«
    »Wahrscheinlich stinkt der nicht so sehr aus dem Maul wie du!«, zog ihn sein Saufkumpan auf.
    »Dafür hab ich mehr Haare auf dem Kopf als der Depp.«
    »Sind’s Haare oder Läuse?«, gab Waldemar zurück. »Weißt du was, ich glaube, es war nur, weil der als Türmer eine eigene Stube besaß. Kaum hatte er die verloren, zeigte sie ihm die kalte Schulter.«
    »Wo ist das Problem, Kameraden?«, fragte Wirtho und zog sich einen Stuhl heran. Er wandte sich Sigurd zu. »Soll ich dir das Weib beschaffen? Sag’s grade zu. Wir spielen drum.«
    Mit lautem Knall stellte der Burgerbe den Würfelbecher auf den Tisch. Seine Augen funkelten leidenschaftlich. Die beiden anderen rückten sofort heran, nicht weniger gierig.
    »Sei’s drum, Herr Wirtho«, sagte Sigurd begeistert, »der Sieger bekommt die Magd.«
    »Die Verlierer müssen sie ihm beschaffen«, ergänzte Waldemar.
    Wirtho klatschte in die Hände und grölte: »Wir brauchen Bier!«

*
    Das Sortiment an Werkzeugen hatte viel Ähnlichkeiten mit den Instrumenten, die der Henker bei der peinlichen Befragung verwendete. Obwohl der Truchsess ein tapferer Mann war, nahm er erst einmal einen weiteren, tiefen Schluck des Weinbrandes, mit dem er schon seit den Morgenstunden versuchte, den pochenden Schmerz in seinem Kiefer zu betäuben. Der Bader wiegte nach einer ersten Begutachtung seines Patienten bedenklich den Kopf. Er war ein großer, kräftiger Kerl mit breiten Händen und kahlem Schädel.
    »Der Zahn muss raus, keine Frage«, meinte er.
    »Dann tu es«, stöhnte der Truchsess. »Fang einfach an.«
    »Gemach, hoher Herr, es ist keine einfache Sache«, gab der Bader zu bedenken.
    »Ich hab schon anderes ausgehalten«, raunzte der Burgherr und an Kunigund gewandt: »Verriegle die Tür und schick die Wachen weg, Frau.«
    »Das ist es nicht«, fuhr der Kahlkopf fort.
    »Sondern? Sprich schon.«
    »Ungute Körpersäfte sind bereits in euer Inneres geflossen. Seht selbst, wie aufgedunsen Euer Antlitz wirkt. Breche ich den Zahn heraus, besteht die Gefahr, dass sie sich im ganzen Körper verteilen.«
    »Was also dann?«
    Der Mann zuckte mit den Schultern und schlug unsicher vor: »Vielleicht solltet Ihr zunächst Nelkenwurz kauen und von den Pilzen essen, die Eure Kräuterfrau im Herbst gesammelt hat. Das würde die Säfte zurückdrängen.«
    »Nelken, Pilze, ungute Säfte, Weibergeschwätz!«
    Ungeduldig griff der Truchsess in seine Börse und warf eine Münze auf den Tisch. »Zieh den Zahn oder troll dich.« Der Bader sah zu Frau Kunigund. Die nickte.
    »Nun denn, Herr, verzeiht, aber ich muss Eure Hände festbinden.«
    Wütend sprang der Truchsess auf und brüllte: »Bist du toll, Mann? Mich bindet niemand.«
    »Verzeiht noch einmal, aber ihr würdet aus dem Schmerz heraus nach mir schlagen, und das könnte übel ausgehen.«
    »Ich bin kein Knecht. Ich ertrage das, wenn Ihr nur endlich damit anfangt.«
    Der Bader seufzte und bat um mehr Branntwein. Davon flößte er zwei Drittel dem Truchsess ein, mit dem Rest trank er sich selbst Mut an. Als der Alkohol seine Wirkung tat, atmete der Bader tief durch. »Nun denn, Herr, Euren Mund auf, so weit es geht.«
    Der Truchsess tat wie ihm geheißen, und im gleichen Moment hatte ihm der Bader eine Maulsperre verpasst. Die nächsten Minuten kamen dem Burgherren wie die Ewigkeit im Fegefeuer vor. Sein Hemd war nassgeschwitzt. Brechreiz wollte ihn übermannen von dem üblen Geschmack, und beinahe wäre er an seinem eigenen Blut erstickt. Endlich lag der Backenzahn vollständig auf dem Tisch. Er stank bestialisch und war tatsächlich voll von gelblichen Säften. Der Bader riet, am heutigen Tag nichts mehr zu essen und zu trinken, allerhöchstens milden Kamillentee, dann hastete er davon. Frau Kunigund stützte ihren Gatten bis zu seiner Lagerstatt, wo er geschwächt liegen blieb. Besorgt hielt sie seine Hand, bis ihn der Schlaf übermannte. Als ihm endlich die Augen zugefallen waren, ließ sie Annelies

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