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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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kurz und leidenschaftlich ihre Augen auf, dann senkte sie demütig den Kopf und antwortete leise: »Nennt mich, wie ihr wollt, Herr Ritter, denn ich besitze keinen.«
    »Das kann nicht sein«, protestierte Jakob. »Jeder Christenmensch …«
    Heinrich unterbrach ihn mit den Worten: »Und deine Herkunft wirst du uns wohl auch verschweigen wollen?«
    Erwartungsgemäß schwieg sie.
    »So müssen wir annehmen, da du dich in Gesellschaft von Dieben befunden hast, dass auch du eine Diebin bist?«
    »Ich habe mich keines Vergehens schuldig gemacht, weder vor Gott noch vor den Menschen«, erklärte sie.
    Heinrich schüttelte den Kopf. Allein diese Wortwahl. So sprach kein Bauernmädchen und schon gar keine Räuberdirne. Nichts passte hier zusammen.
    »Was tun wir jetzt?«, riss Jakob ihn aus seinen Gedanken. Fürsorglich breitete er seinen Mantel über die bibbernde junge Frau.
    Heinrich senkte erst einmal sein Schwert, ohne es jedoch ganz wegzustecken. »Wir warten am besten, bis unsere Reisegesellschaft eintrifft. Auf einem der Wagen wird sich schon ein Platz für unsere Namenlose finden. In Prag sehen wir dann weiter.«
    »Verzeiht, Herr, wenn ich mich einmische, doch wenn Ihr einen Rat von mir hören wollt, so lasst uns einen sicheren Ort aufsuchen und dort die Gesellschaft erwarten, mit der Ihr reist. Mit Vaclav ist nicht zu spaßen. Er wird sich sein Eigentum zurückholen wollen.«
    »Und das bist du? Sein Eigentum? Was tust du für ihn? Bist du seine Hure?«
    Die Schamröte stieg ihr ins Gesicht und machte sie noch attraktiver. »Was fällt Euch ein!«, fauchte sie zornig. Augenblicklich besann sie sich und senkte erneut die Stimme: »Ich singe auf Jahrmärkten.«
    »Oh ja!«, rief Jakob begeistert. »Wir haben dich gehört. Deine Stimme ist wie die Märzsonne, die den Schnee zum Schmelzen bringt.«
    »Ich hatte einen vorzüglichen Lehrer«, erwiderte sie bescheiden und wurde nachdenklich. Sie lächelte versonnen, eine Geste, die der Junge sofort auf sich bezog. Strahlend erklärte er: »Ich musste dich wiedersehen, nachdem ich dich auf dem Markt habe singen hören, und wäre dir bis ans Ende der Welt gefolgt.«
    Die junge Frau schüttelte leise den Kopf, so als wäre Jakob nicht der Richtige, solche Worte an sie zu richten.
    Heinrich beobachtete sie und schwieg. Tausend Gedanken jagten durch seinen Kopf. War diese junge Frau vielleicht vor der Verheiratung mit einem ungeliebten Mann geflohen, während sie den Geliebten zurücklassen musste? Oder war ihr Geliebter eventuell durch Meuchelmörders Hand gestorben? Vielleicht würde sie seine Muse werden und ihre Geschichte den Stoff für eine neue Ballade geben. Schon nahmen die ersten Zeilen Gestalt an:
    Ach, gramgebeugtes Herz,
    vor Kummer magst beinah zerspringen
    es ist so voller Schmerz …
    Heinrich schüttelte sich. Jetzt war nicht die Zeit für Dichtkunst. Die junge Frau hatte Recht. Sie sollten sich in Sicherheit bringen, bevor das Gesindel neuen Mut fasste. Er reichte ihr seine Hand. Sie verstand sofort und ließ sich von ihm hinten aufs Pferd heben. Sein Brauner schnaubte ärgerlich, trottete dann jedoch gehorsam durch den hohen Schnee. Sie schlang einen Arm um seine Hüften. Ihre Wärme drang zu ihm vor und wallte zu Hitze auf. Jakobs ununterbrochenes Geplapper plätscherte an Heinrich vorbei wie das Rauschen eines Baches und verlief sich in weiter Ferne. Zeile um Zeile formte sich stattdessen in Heinrichs Kopf und vereinte sich mit einer traurigen, sehnsuchtsvollen Weise. Vordergründig nickte und brummte der Ritter abwechselnd, was dem Buben zu genügen schien. Hätte man Heinrich jedoch gefragt, was Jakob ihm anvertraut hatte, so hätte er sich an kein einziges Wort erinnert.
    Der Tag ging bereits zur blauen Stunde über, als sie endlich die nächste Herberge erreichten. Heinrich wusste vom Führer ihrer Reisegesellschaft, dass hier das Nachtlager aufgeschlagen werden sollte. Die drei stiegen von den Pferden, übergaben sie dem Stallknecht und machten beim Wirt Quartier für sich und die anderen. Nachdenklich betrachtete Heinrich seine schöne Reisebegleitung. Wo sollte sie schlafen? Eigentlich geziemte es sich nicht, dass sie die Kammer mit ihm und Jakob teilte, andererseits wollte er sie im Auge behalten, damit sie sich nicht aus dem Staub machen konnte. Schließlich ließ er einige große Tücher kommen und trennte in der engen Kammer einen Bereich für sie ab. Erleichterung zeigte sich auf ihrem Gesicht. Gepäck hatte sie keines zu verstauen, denn sie

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