Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
raffte und abhaute, als wäre der Teufel hinter ihm her.«
Oder die Marktwächter, dachte Heinrich, in dem ein Verdacht aufkeimte. Die Beschreibung passte haargenau auf seinen Taschendieb. Sollte die Wandersängerin den Lockvogel für diese Burschen spielen? Dann befand sie sich wahrlich in schlechter Gesellschaft.
»Wo sind sie hin?«, wollte Heinrich wissen.
Die Alte zuckte mit den Schultern. »Fort, nehm ich an. Hier hat sie keiner mehr gesehen.«
»Und die Frau? Warum sollte die Frau bei ihnen gewesen sein?«
»Weil sie für drei Quartier gemacht haben, und eine davon war ein Weibsbild.«
»Aber gesehen hat er sie nicht, der Wirt«, mischte sich jetzt wieder Jakob ein.
»Nein, junger Herr, gesehen hat er sie nicht, aber gesagt hat er, dass die beiden recht geheimnisvoll getan hätten. Und der Anführer hätt’ sie immer nur ihr ›Goldeselchen‹ genannt.«
Jakob wiegte den Kopf. Noch konnte er sich keinen Reim auf das machen, was die Tuchhändlerin berichtete, aber sein Herz begann schneller zu schlagen. Sollte sich hier endlich ein richtiges Abenteuer anbahnen? Eines, von dem man später einmal bei Wein und Spielleuten berichten konnte?
»Wusste der Wirt, wohin sich die drei wenden wollten?«, hakte er nach.
»Das ist nicht schwer zu erraten. Nach Prag.«
»Weißt du das sicher?«, fragte Heinrich, während ihm schon Schlimmes schwante.
»Sie haben sich jedenfalls erkundigt, wie weit es von hier bis zur Königsstadt ist.«
Auf Jakobs Gesicht machte sich ein triumphierendes Grinsen breit. Er griff in seine Tasche und holte das versprochene Geldstück heraus. »Nun also zum Geschäft«, fuhr er sachlich fort, griff sich eines der Deckchen, dessen tiefdunkle Farbe bei Tageslicht noch strahlender war, und fragte. »Wo genau kann man dich finden, und wie lautet dein Name, Mütterchen?«
Bereitwillig erteilte die Frau dem jungen Kaufmann Auskunft: Sie gehöre zu einer Gruppe von Sorben, die am Moldauufer das Recht zur Rodung erhalten und sich vor einer Generation dort niedergelassen hatten. Die Ansiedlung sei keinen Tagesritt von hier entfernt und nicht schwer zu finden. Jakob versicherte ihr noch einmal, dass sie von ihm hören werde. Dann schwang er sich auf Arabella. Aufgeregt plappernd ritt er aus dem Örtchen heraus und hätte beinahe vergessen, dass sie doch mit den Kaufleuten verabredet waren. Seine Ungeduld blieb niemandem verborgen, als es viel zu lange dauerte, bis sich der Zug formiert und in Bewegung gesetzt hatte.
Wie selbstverständlich ritt der Knabe an die Spitze des Trosses, und immer wieder sogar weit voraus, bis Heinrich ihn energisch zurück an seine Seite rief.
»Diese Straße ist nicht sicher, Jakob«, mahnte der Ritter. »Ich verspüre nicht die geringste Lust, deinem Vater Rede und Antwort zu stehen, wenn dir jetzt, so kurz vor unserem Ziel, noch ein Leid geschieht. Du bleibst jetzt gefälligst neben mir.«
»Warum müssen wir überhaupt mit all diesen Menschen reiten«, murrte der Knabe. »Sie bewegen sich mit der Geschwindigkeit einer Augsburger Wanderschnecke. Wenn wir in diesem Tempo weiterreisen, erreichen wir Prag erst zum Osterfest.«
»Immer noch besser als gar nicht.«
»Herr Heinrich, Ihr habt ein Schwert und wisst damit umzugehen. Lasst uns voranreiten. Seht, schon wieder halten wir an.«
Der Ritter reckte sich und spähte nach vorne. »Ein Gasthaus«, stellte er fest. »Vermutlich will man hier die Pferde und Maultiere nochmals tränken.«
Der Junge stöhnte auf: eine Pause, kaum dass sie zwei oder drei Stunden unterwegs waren.
»Ich weiß gar nicht, warum du murrst. Ich an deiner Stelle würde nach vorne gehen und den Wirt nach deiner hübschen Sängerin und ihrer diebischen Begleitung befragen. Wenn sie nicht erfrieren wollten, dann sind sie sicher hier eingekehrt.«
Sofort hellte sich Jakobs Gesicht auf.
»Da könntet Ihr Recht haben, Heinrich!«, rief er begeistert und trat Arabella in die Seiten, was diese mit einem lauten Quietschen und einem Buckler quittierte. Der Ritter schüttelte den Kopf. Jakob war einfach unverbesserlich.
Das Strahlen in seinem Gesicht sprach mehr als tausend Worte, als der Kleine kurz darauf zurückkehrte. »Ihr hattet den richtigen Riecher, Heinrich!«, rief er schon von Weitem. »Sie sind hier gewesen, und diesmal gibt es auch eine gute Beschreibung von der Frau. Hört, was die Schankmagd mir berichtete.«
»Die Schankmagd, so, so«, neckte Heinrich. »Mit der warst du aber schnell fertig.«
Jakob wurde rot bis unter die
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