Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
trug nichts bei sich außer einer einfachen ledernen Tasche, die sie jedoch stets an sich gedrückt hielt.
»Ich lass dir Speise hier nach oben kommen und einen Zuber mit warmem Wasser.«
»Ein Bad?«, hauchte sie, und ihre Augen glitzerten freudig. Sofort schlug sein Herz wieder schneller. Ach, wie wunderbar war sie anzusehen, wenn ein Glücksstrahl ihr Gesicht zum Leuchten brachte!
»Ich sehe, ich habe dir einen Wunsch von den verschlossenen Lippen ablesen können. Nun, denke ich, ist es an der Zeit, mich vorzustellen. Mein Name ist Heinrich von Meißen, und dieser quirlige Bursche hier ist mein Schützling Jakob Fugger aus Graben.«
Ihre Augen schauten interessiert. »Ist das nicht in der Nähe von Augsburg?«
»Richtig!«, rief der Junge. »Bist du schon einmal da gewesen?«
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
»Dann weißt du es ebenfalls von deinem Lehrer.« Jakobs Stimme klang enttäuscht.
»Auch das nicht, mein Va …«, sie unterbrach sich hastig, »… nun, ich habe nur geraten, das ist alles.« Sie wandte sich zu Heinrich um und betrachtete ihn voller Hochachtung. »Heinrich von Meißen, sagtet Ihr, wäre Euer Name?«
Der Ritter nickte. »Hast du schon von mir gehört?«
»In der Tat, das habe ich. Jedermann spricht von Frauenlob, dem Minnesänger. Man sagt, Eure Kunst sei mit der des Walther von der Vogelweide zu vergleichen.«
Verwundert schüttelte der Ritter den Kopf. Das geheimnisvolle Mädchen sprach ihn mit seinem Beinamen an, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. War das vielleicht die passende Gelegenheit, ihr ihren Namen zu entlocken? Versuchen konnte er es ja mal.
»Was bist du nur für ein merkwürdiges Weibsbild?«, begann er mit spöttischem Grinsen. »Dir kommen all diese Namen über die Lippen, als würdest du jeden Tag darüber plaudern, und doch trafen wir dich in der Gesellschaft von Gesindel an. Mich dünkt fast, wir hätten hier einem Fräulein von Stand die rettende Hand gereicht?«
Das Klopfen der Bademagd unterbrach ihre Konversation, die so hoffnungsvoll begonnen hatte. Nachdenklich zog sich Heinrich zurück, um sich mit Jakob um die Quartiere der anderen zu kümmern.
*
Arigund fühlte sich wie im siebten Himmel. Wie konnte es nur sein, dass sie niemals zuvor die Wohltaten eines Bades so genossen hatte? Anfangs schmerzten ihre Zehen, als sie mit dem warmen Wasser in Berührung kamen, doch mittlerweile durchströmte wohlige Wärme ihren Körper. Zum zweiten Mal in zwei Tagen wurde sie außerdem richtig satt, denn die Magd hatte nicht nur warmes Wasser und Seife, sondern auch eine große Portion Eintopf und einen Krug Bier gebracht. Hungrig hatte sie alles in sich hineingestopft. Jetzt seifte sie sich gründlich ein und hoffte, wenigstens einige der zahllosen Läuse und Flöhe, die sie sich während ihrer Flucht eingefangen hatte, zu ersäufen. Auch ihr Haar war schrecklich verfilzt. Am besten wäre es vermutlich, die Lockenpracht einfach abzuschneiden. Andererseits war sie immer so stolz auf ihre dichte Mähne gewesen. Noch einmal versuchte sie, die Strähnen zu trennen. Dann wurde es ihr zu bunt. Sie kramte nach dem Messer, das sich noch immer in ihrer Tasche befand. Strähne um Strähne fiel zu Boden, bis ihr Haar kaum länger war als das von Heinrich.
»Heinrich von Meißen.« Sie flüsterte den Namen leise. Nachdenklich seifte Arigund ihre verbliebene Lockenpracht ein. Nass reichte sie ihr jetzt gerade mal bis zur Schulter. Männer trugen ihr Haupthaar auch nicht viel kürzer. Der Duft der Seife erinnerte sie an Brennberg, und plötzlich fiel ihr wieder ein, in welchem Zusammenhang Heinrichs Name gefallen war. Frau Kunigund hatte ihn erwähnt, kurz nach Arigunds Vermählung. Der Minneritter hatte sich dem Vernehmen nach in Kelheim aufgehalten, einem anderen Minnehof. Man hatte dort sehr von ihm geschwärmt. Einen Augenblick lang erlaubte sich Arigund, davon zu träumen, wie es wohl gewesen wäre, ihn auf Brennberg, ihrer Burg, willkommen zu heißen. Vielleicht hätte er den Liebreiz der jungen Burgherrin in einem Lied gerühmt und von ihrer unglücklichen Liebe gesungen. Vielleicht wären die Verse an Reimars Ohr gekommen, und er wäre vorsichtiger gewesen, wäre von seinem Bruder nicht …? Ja, was denn …? Erschlagen worden? Es gab keine Gewissheit. Der alte Ritter hatte nur gesagt, Reimar sei weder am Leben noch tot. Nur eines war sicher. Wirtho würde niemals zulassen, dass sie mit Reimar glücklich werden würde. Zwei salzige Tränen
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