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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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Haarwurzeln. »Nun lasst mich doch endlich ausreden«, knirschte er durch die Zähne. Heinrich bemühte sich um eine ernste Miene. Langsam begann auch ihm die Sache Spaß zu machen. »Die Magd schätzt sie höchstens auf sechzehn, vielleicht auch jünger. Sie ist von kleiner Gestalt, ihr Gesicht von ungewöhnlich brauner Farbe, aber mit ebenmäßigen Zügen. Zuerst hätte sie sie für eine Dirne gehalten und den großen Burschen für ihren Kerl, doch dann ist sie gemeinsam mit ihm und seinem Freund in die Kammer gegangen und nicht mehr heruntergekommen, obwohl genug Freier da gewesen wären.«
    »Vermutlich ist sie sein Weib.«
    »Hab ich auch gesagt, aber die Magd meinte, sie hielte sie nicht für eine von denen.«
    »Wie kommt sie denn da drauf?«, fragte Heinrich belustigt.
    »Na ja, zum einen hat sie sich morgens gewaschen, zum anderen …« Jakob zögerte.
    »Jetzt rück schon mit der Sprache raus«, drängte Heinrich.
    »Na ja, die drei sind recht früh am Morgen abgehauen. Sie hatten zwar die Zeche bezahlt, aber sie haben sich an den Vorräten des Wirts schadlos gehalten.«
    »Was war schon anderes von dem Gesindel zu erwarten? Und was das Waschen angeht, nun, manche Frauen meinen, sie könnten so verhindern … Ach, das erfährst du noch früh genug.«
    »Die Schankmagd sagte, zwar hätten einige Lebensmittel gefehlt, aber es habe Geld dafür neben dem Brotkasten gelegen. So etwas habe sie ihr Lebtag noch nicht erlebt.«
    »Das ist in der Tat erstaunlich.«
    Heinrich kratzte sich den Hinterkopf und schwieg. Hier passte einiges nicht zusammen. Vielleicht sollte er doch einmal eine Weile bei der Vorhut reiten. Da es noch nicht wieder geschneit hatte, würde man Spuren im Schnee sicher deutlich sehen können.
    »Versorge du jetzt erst einmal dein Pferdchen«, wies er den Jungen an. »Arabella wird es dir später danken.«
    Doch Jakob war nicht dumm. »Ihr wollt ein Stück vorausreiten, stimmt’s? Lasst mich mitkommen!« Bittend sah der Junge ihn an und rollte mit seinen dunkelbraunen Augen, eine Geste, der Heinrich selten widerstehen konnte. Diesmal aber blieb er unbeugsam.
    »Tu jetzt, was ich dir gesagt habe«, wies er den Buben an. Er selbst aber trieb sein Pferd weiter nach vorne. Schon nach kurzer Zeit entdeckte er die Fußspuren der kleinen Gruppe im frischen Schnee. Sie mussten früh aufgebrochen sein, denn die Ränder hoben sich nicht mehr scharf von der Schneedecke ab, sondern zerfielen bereits. Obwohl er beritten war, würde es bestimmt bis weit in den Mittag dauern, bis er die drei eingeholt hatte. Doch so lange konnte er den kleinen Troll keinesfalls alleine lassen. Jakob würde ihm nachsetzen, keine Frage. Heinrich wog ab, ob sie es riskieren konnten, alleine vorwegzureiten. Es war nicht gelogen, dass der Weg gefährlich war und man jederzeit mit einem Überfall rechnen musste. Andererseits, es war kurz vor Weihnachten. Vielleicht hatte der liebe Gott ein Einsehen und hielt seine schützende Hand über sie. Heinrich versuchte, sich das Lied in Erinnerung zu rufen, das die junge Frau gesungen hatte. Erneut kam ihm der Rhythmus der Dichtung bekannt vor, so als hätte er die Weise schon einmal gehört. Wenn er sich nur erinnern könnte, wo und wann das gewesen war? Er begann die Melodie zu summen. Sie klang vertraut. Energisch wendete er sein Pferd und ritt zurück. Sein Entschluss stand fest: Er wollte das Rätsel lösen.

*
    Arigund hörte die Pferde als Letzte und wollte schon erschrocken aufschreien, als Vaclav sie unvermittelt zur Seite riss und in Richtung Wald zog. Doch der war bei Weitem nicht mehr so nah wie auf früheren Wegstrecken. Offensichtlich sorgte der Landesherr dafür, dass die Straßenränder regelmäßig gerodet wurden. So stolperten die drei vorwärts, ohne eine echte Chance, unentdeckt zu bleiben. Vaclav warf einen finsteren Blick auf die beiden Reiter und flüsterte einen unmissverständlichen Fluch. Seine Finger angelten das lange Messer aus seinem Gürtel. Auch Friedl schien zutiefst erschrocken. In seiner Aufregung verlor er seine Waffe und rannte kopflos weiter. Arigund stolperte. Ihre Beine waren wie Blei nach dem morgendlichen Gewaltmarsch. Sie stolperte in den Schnee und blieb einfach liegen. Vaclav versuchte sie hochzuzerren, schrie sie an und trat sogar mit Füßen nach ihr, doch es half alles nichts. Die junge Frau war mit ihren Kräften am Ende. Mit einem Blick auf den Ritter, der bedrohlich mit blankgezogenem Schwert immer näher heranpreschte, beschloss der

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