Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
stotternden Kerl, eher harmlos, ein Taschendieb, der sich Friedl nennt. Zudem ist vermutlich Tassilo noch immer dabei, ein Mensch von kleiner, zarter Statur, unverkennbar Venezianer. Vaclav wird versuchen, diesen verborgen zu halten.«
Ein Strahlen huschte über DeCapellas Gesicht. Er siegelte das Papier und betätigte einen Klingelzug, der sich nahezu unsichtbar hinter ihm befand: »Gut, drei Männer also. Zwei davon recht auffällig. Die sollten aufzuspüren sein.«
Ein Domestik erschien. DeCapella übergab ihm das Schreiben ohne große Erklärungen. Der Hausherr war offensichtlich von vorneherein davon ausgegangen, dass er die Beschreibung des Entführers von Heinrich bekommen würde. Warum auch nicht?
»Und jetzt lasst uns fröhlichere Gespräche führen«, meinte DeCapella munter. »Ich würde Euch gerne meine Familie vorstellen.« Die hölzerne Tür tat sich auf, und etwa zehn weitere Personen traten ein, darunter einige weiter entfernte Verwandte des Hausherren und Aleandra, die dem Ritter schüchtern ein kleines Döschen und ein Medaillon mit ihrem Bildnis überreichte.
»Ich danke Euch, Herr von Meißen«, flüsterte das Kind mit roten Wangen. »Ich bewundere Eure Tapferkeit und werde Euch ewig verbunden sein.«
»Ewig ist ein langer Zeitraum, wertes Fräulein«, erwiderte Heinrich lächelnd, »aber ich werde gewiss Euer Lächeln in Erinnerung behalten.«
Das Mädchen strahlte und nahm dann am Ende der Tafel Platz.
»Meine Gattin Agneta«, stellte der Kaufmann eine ebenfalls dunkelhaarige, noble Frau vor, die ihren Gatten um fast einen Kopf überragte.
»Auch ich bin Euch sehr verbunden, Herr Ritter«, begrüßte sie ihn und nahm dann den Platz an Heinrichs Seite ein.
Ganz zuletzt lugte ein wohlbekanntes Gesicht um die Pforte.
»Jakob!«, rief Heinrich erstaunt. »Was tust du denn hier?«
Lachend kam der Bursche auf den Ritter zugeschossen, schwenkte einen überdimensionierten Hut und strahlte dann seinen Ritter an.
»Nun, so leicht werdet Ihr mich nicht wieder los, Herr Heinrich.«
»Wie hast du mich so schnell gefunden?«, wollte der Ritter wissen.
»Das war nicht schwer. Die halbe Stadt spricht schon von Euren Heldentaten. Wenn Ihr so weitermacht, wird man bald Balladen über Euch singen!«
Dann verneigte sich der Junge vor dem Kaufmann. »Es ist mir eine Ehre, in Eurem Hause weilen zu dürfen.« Jakob ließ den Blick über die weiblichen Angehörigen schwenken. Sein Augenmerk fiel auf Aleandra, und Heinrich musste kein Gedankenleser sein, um zu wissen, dass auch Jakob die Ähnlichkeit mit Arigund bemerkte. Der Junge verneigte sich noch einmal und fuhr fort: »Und für die angenehme Gesellschaft dieser Damen.«
»So lasst uns nicht länger stehen«, ließ DeCapella verlauten, »sondern das Christfest gebührend feiern.«
Gerne hätte Heinrich noch ein wenig mit Jakob geschwatzt, doch der Handelsherr hatte den Knaben weiter nach hinten gesetzt. Stattdessen wandte sich der Herr des Hauses wieder an den Ritter. Sie plauderten über den Hof und über Heinrichs Reisen. Als DeCapella hörte, dass sich der Sänger auch in Regensburg aufgehalten hatte, geriet er ins Schwärmen.
»Eine wundervolle Stadt!«, meinte der Kaufmann mit vollen Backen kauend.
»Man nennt es das Venedig Bayerns«, sagte Heinrich.
»Ich liebe es, an der Donau spazieren zu gehen, wenn ich bei meinem Bruder weile, aber natürlich ist die Stadt nicht wirklich mit Venedig zu vergleichen.«
»Aber das Klima ist in jedem Fall angenehmer als hier«, merkte seine Frau an.
»Da habt Ihr Recht«, bestätigte Heinrich.
»So kennt Ihr die Stadt gut?«, fragte Agneta begeistert.
»Ich weilte nur kurz dort.«
»Habt Ihr meinen Bruder kennengelernt?«, wollte DeCapella wissen.
»Leider nein, aber seine Tochter Arigund.«
Ein kurzes, peinliches Schweigen trat ein. Dann räusperte sich DeCapella. »Ich vergaß es fast. Ihr seid Minnesänger und weiltet vermutlich auf Burg Brennberg.«
Heinrichs Augen flackerten kurz. »Burg Brennberg, ja.«
»Lebte der alte Truchsess noch?«, erkundigte sich Agneta, fuhr dann jedoch einfach fort. »Er starb vergangenen Sommer. Was für eine Tragödie! Seine Gattin ist vor Kummer ins Kloster eingetreten. Und Arigund, das arme Mädchen! Sie verlor bei all der Aufregung das Kind. Danach wurde sie so schwermütig, dass ihr Gatte sie zu ihrer Sicherheit ebenfalls ins Kloster bringen lassen wollte, aber sie wurde auf dem Weg dorthin überfallen und ermordet. Ist es nicht schrecklich, dass dieses
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