Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
zog sich die Kapuze wieder über die Haube.
»Eine Frau!«, rief Heinrich erstaunt.
»Ja, doch!«, maulte sie unwirsch.
»Wer bist du?«, forderte der Ritter sie auf.
»Die Kräuterfrau in diesem elenden Viertel«, erklärte sie ärgerlich, »und ich helfe Euch nicht etwa, weil der Pfeffersack mir Geld gibt, sondern bloß, weil dieser Grobian mir ans Leder wollte. So braucht mir keiner zu kommen. So nicht.«
»Was brauchte Vaclav von dir?«
»Seinem Begleiter geht es schlecht. Das Fieber hat ihn gepackt.«
»Welchen, den dürren oder den italienischen.«
»Den, der eigentlich eine Frau ist«, gab sie ihm Bescheid, »und jetzt lasst uns fortgehen, bevor man noch mehr auf uns aufmerksam wird.«
Der Nebel war mittlerweile so dicht, dass man die Hand kaum vor Augen sah. Plötzlich quietschte das Herbergsschild über ihnen. Es hing schief an der Wand eines steinernen Gebäudes, das die schäbigen Hütten umher weit überragte. In der Gaststube brannte Licht, aber es war sehr ruhig. Die Kräuterfrau deutete auf ein kleines Fenster unter dem Giebel.
»Dort oben, wo das Licht durch die Ritzen dringt.«
»Wie kommen wir ungesehen hinein?«, fragte Jakob vertrauensselig.
»Hinten herum durch den Stall.«
Der Junge lächelte die schwangere Frau an. Er sah keinen Grund, weshalb sie lügen sollte.
»Gebt mir Eure Pferde, werte Herren, damit sie noch da sind, wenn Ihr sie nachher braucht«, bot die Frau an.
Misstrauisch überließ Heinrich ihr die Zügel. Er wollte Jakob an der Tür zurücklassen. So konnte er ein Entkommen des Räubers durch diesen Ausgang verhindern.
»Diesmal soll uns der Kerl nicht entwischen, Jakob. Du achtest auf den Vordereingang. Ich gehe hinten herum. Doch pass auf! Du weißt, wie gefährlich Vaclav ist. Zögere nicht, dein Messer zu gebrauchen! Nicht bei ihm und auch bei keinem anderen.«
Er hatte zwar zu dem Jungen gesprochen, aber sein Blick ruhte auf der Kräuterfrau.
*
Vaclav fasste schläfrig in das Stroh, auf dem sein Kopf ruhte. Die Schankmagd hatte seine Manneskraft bis aufs Letzte gefordert. Wieder und wieder hatte sie ihn gereizt, bis er ermattet ins Stroh gesunken war. Danach waren ihm die Augen zugefallen, aber eine wohlige Wärme hatte sich in seinem Körper ausgebreitet.
Die war jeden Pfennig wert, dachte er schläfrig.
Sein Goldeselchen atmete schwer, aber es röchelte nicht mehr so schrecklich wie in der Nacht zuvor. Morgen würde er es von hier wegbringen, vielleicht auch schon heute Nacht, wenn er sich ein wenig ausgeruht hatte. Es war gefährlich, zu lange an einem Ort zu bleiben. Tastend suchte er nach dem Becher mit dem Bier und stieß ihn dabei um.
»Mist, verdammter«, fluchte er und rappelte sich mühsam hoch. Der Kienspan an der Wand warf ein schummriges Licht. Der Räuber rappelte sich auf. Seine Beine zitterten leicht. Er lachte leise und tappte zu dem Krug. Was konnte so ein Rasseweib doch anstrengend sein. Enttäuscht musste er feststellen, dass das Gefäß so gut wie leer war. Gierig ließ er den letzten Tropfen in seine Kehle rinnen. Was sollte er jetzt tun? Er war durstig und das Weib weg. Also die Stiegen hinunter und sich nachfüllen lassen. Der Wirt war ja anscheinend noch wach. Oder doch einfach weiterschlafen? Vaclav gähnte und ging zum vernagelten Fenster. Eiskalte Luft drang durch die Ritzen in den Brettern und noch etwas anderes, Stimmen.
Vaclav lauschte, doch es war schon wieder still. Neugierig versuchte er, durch die schmalen Spalten nach draußen zu spähen. Durch den wabernden Nebel glaubte er, die Schemen von Pferden zu erkennen, ein großes, schweres, ein kleines, das noch wachsen wollte, und – ein langohriges. Vaclav zuckte zurück. Ein Maultier. Konnte das Zufall sein? Noch fester presste er sein Auge gegen den Spalt und versuchte, mehr zu sehen, aber vergeblich. Die Tiere waren aus seinem Blickwinkel verschwunden. Das konnte nichts Gutes bedeuten. In Windeseile zog sich der Räuber an. Selbstverständlich kannte er mittlerweile die Fluchtwege aus dem Haus. Vorn standen die Pferde, und ganz sicher waren sie nicht unbewacht. Besser war es, hinten durch den Stall zu verschwinden. Vaclav griff nach seinem Dolch, warf einen letzten, bedauernden Blick auf Arigund und erwog für einen winzigen Augenblick, sie mitzunehmen, doch in ihrem Zustand würde sie ihn nur behindern. Allerdings – wenn sie ihm nicht mehr von Nutzen war, dann sollte sie es auch für keinen anderen mehr sein. Mit zwei Schritten war er bei ihr.
*
Heinrich war
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