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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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Variation des Grundmotivs. Der Burgkaplan hörte ihr mit großem Wohlwollen zu.
    »Deine Stimme ist wahrhaft eine Gottesgabe, Arigund«, lobte der Mönch erstaunt. »Wer hat dich bislang unterrichtet?«
    »Pater David von Augsburg«, erklärte Arigund.
    »Der Abt selbst?«
    »Richtig.«
    »Und unterrichtete er dich auch in anderen Dingen?«
    »Oh ja, er lehrte mich die Bibel auf Lateinisch und die Philosophie des Aristoteles. Zudem kann ich schreiben und rechnen.«
    »Ganz erstaunlich, vor allem für ein Mädchen. Du scheinst mir über die Maßen klug zu sein.«
    Endlich jemand, der ihre Fähigkeiten erkannte. Arigund strahlte angesichts des Lobes.
    »Wie schade, dass auf diesem Hof hier kaum jemand das alles zu schätzen weiß. Hier sieht man die Damen lieber nähen und den Rittern verführerische Blicke zuwerfen.«
    Arigunds Lächeln erstarrte. »Aber ich werde doch weiter unterrichtet werden?«
    »Oh ja, sicher, nur nicht in diesen Dingen. Frau Kunigund legt Wert darauf, dass sich ihre Damen im minniglichen Benehmen üben und die Herren Ritter natürlich auch. Du wirst alles lernen, das dazu dient, deinen späteren Gatten zu erfreuen, ihm, nun …«, der Pater räusperte sich kurz, »… das Leben angenehm zu machen.«
    »Aber ich bin keine Magd!«, empörte sich Arigund und sah auf den Hof, wo die jungen Frauen am Brunnen Wasser schöpften. Sie schäkerten mit den Stallburschen, die sich große, hölzerne Eimer unter den Arm geklemmt hatten.
    »Gewiss nicht, gewiss nicht«, wehrte der Geistliche ab. »Man nennt ihn übrigens Münchstein – den Brunnen, meine ich.«
    »Und Bildung ist doch wichtig. Wie soll man sich sonst mit seinem Gatten unterhalten können.«
    Der Pater lachte kurz auf. »Unterhalten? Mit einem Ritter? Wenn die einem Weib unter den Rock greifen, halten sie sich nicht mit tiefsinnigen Gesprächen auf. Die prahlen höchstens mit ihrem letzten Schwertkampf. Ihre Wissbegier geht kaum über die neueste Lanzentechnik hinaus. Bildung, so wie wir sie verstehen, ist denen fremd. Viele müssen sich schon plagen, wenn sie ihren Namen schreiben wollen. Falls sie ein Buch besitzen, dann nur, weil es mit Gold aufgewogen wird. Der Einzige, der hier auf der Burg einen grammatikalisch richtigen Satz in Latein zusammenbringt, ist mein Schüler Reimar. Doch statt ihn für seine Bemühungen zu loben, bringt sein Vater ihm nur Hohn und Spott entgegen. Wen es nach tieferem Wissen und Weisheit drängt, Arigund, der ist in einem Kloster besser aufgehoben als auf einem Minnehof.«
    »Aber die Herrin Kunigund …«
    Pater Anselm winkte ab und wechselte das Thema. »Nun will ich erst einmal mein Versprechen einlösen, dich herumzuführen und dir alles zu erklären.«
    Seite an Seite schritten sie hinab zum Münchstein. Gleich daneben gab es einen Turm.
    »Möchtest du hinaufsteigen, Arigund?«, fragte Pater Anselm.
    »Oh ja, gerne.«
    »Es führen aber keine Stufen, sondern nur hölzerne Leitern nach oben.«
    »Das macht mir nichts aus. Wir haben auch einen Turm in unserem Haus.«
    »Nun denn, so lass mich voransteigen.«
    Etwas atemlos erreichten die beiden die Aussichtsplattform. Der Pater musterte das Mädchen kurz. Sie wirkte durch den Ausblick vollkommen überwältigt. Eine frische Brise zupfte an ihrer Cotte. Ganz sicher hatte der Vater den wollenen Mantel aus einer Gegend mitgebracht, wo man sich vor Kälte zu schützen wusste. Arigund schlang den wärmenden Umhang fest um sich. Übermütig fegte eine weitere Böe durch ihr Haar, das sie in aller Unschuld offen trug, und wirbelte es durcheinander. Wie schade, wenn sie es später abschneiden würde, doch der Herr Jesus verlangte ein solches Opfer. Pater Anselm stellte sich an Arigunds Seite und wies mit der Hand auf die umliegenden Hügel. »Das alles ist bischöfliches Lehen«, erklärte er.
    »So weit das Auge reicht?«, fragte Arigund ungläubig.
    »So weit das Auge reicht«, bestätigte der Kaplan.
    »Und der Bischof hat es dem Truchsess anvertraut?«
    »So ist es. Von dieser Burg aus verwaltet Reimar von Brennberg das Eigentum des Bischofs.«
    Beeindruckt ließ das Mädchen den Blick schweifen. Das Land schien kein Ende zu nehmen. Berg reihte sich an Berg, bedeckt mit scheinbar endlosen Wäldern. Die Weite machte ihr Angst. Was, wenn man sich hier verlief? Niemals würde man zurückfinden.
    Ihr Blick wanderte zur Burg. Östlich vom Münchstein befand sich der Palas, das Hauptgebäude der Burg, das durch eine Treppe und eine Terrasse mit den Wohngebäuden

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