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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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verbunden war.
    »Den großen Turm auf dem Felssockel nennen wir Wartturm. Er ist ständig mit Wachen besetzt, sodass Feinde oder ausbrechende Waldbrände rasch bemerkt werden.«
    »Gibt es denn oft Angriffe?«
    »Nein, eigentlich nicht. Viel mehr Probleme haben wir mit Feuern, vor allem in trockenen Sommern. In den Wäldern leben Köhler, die zuweilen recht nachlässig handeln. So mancher Brand wird aber auch mit Vorsatz gelegt. Verbotene Rodungen. Du musst dich aber nicht fürchten, mein Kind. Hier herauf dringt das Feuer nicht.«
    Arigund nickte wenig beruhigt. In Regensburg brannte es oft, und die Auswirkungen waren stets verheerend. Andererseits war diese Burg aus Stein gebaut, wie das Haus ihres Vaters, und Steinen konnten Flammen nichts anhaben. Verstohlen musterte Arigund den Pater. Er gab sich jetzt so ganz anders als bei ihrer ersten Begegnung. Es schien fast, als wäre er besorgt um sie. Waren die Ritter tatsächlich derart wilde Gesellen? Sie dachte an Wirtho. Wenn alle so waren wie der, würde sie tatsächlich Schutz benötigen. Ein Schauder durchlief sie. Pater Anselm bemerkte es und bedachte sie mit einem väterlichen Blick.
    »Komm, Kind, lass uns wieder herabsteigen. Es ist windig hier oben. Am Ende erkältest du dich. Zudem will der Tross deines Vaters, der dich hergebracht hat, die Burg in Kürze verlassen. Ich nehme an, du möchtest eine Botschaft an deine Familie mitgeben.«
    Arigund lag eigentlich nichts ferner, doch sie wollte keinen schlechten Eindruck bei Pater Anselm hinterlassen. So senkte sie die Augen und nickte bloß.
    Inzwischen war der kleine Burghof brechend voll. Ziegen, Schafe und Geflügel drängten ans Licht der Sonne. Hirten versuchten mit lautem Geschrei, sie in die gewünschte Richtung zu dirigieren. Pferde wurden herausgeführt und mit weichen Bürsten gestriegelt. Der Schmied schürte seine Esse, um da und dort ein lockeres Hufeisen zu ersetzen. Zwei Männer kamen laut streitend aus dem Stallgebäude. Neugierig spähte Arigund herüber. Sie erkannte den Kutscher ihres Vaters, der mit hochrotem Gesicht die Fäuste gegen einen kleinwüchsigen, aber nicht minder kräftigen Burschen erhoben hatte, und ihn nun vor sich hertrieb.
    »Dieb, Betrüger!«, schimpfte der Kutscher. »Ungeschoren kommst du mir nicht davon.«
    Arigund rannte zu den Streithähnen.
    »Was ist denn los?«, stellte sie den Fuhrmann ihres Vaters zur Rede. Doch statt Antwort zu geben, packte er seinen Kontrahenten und schüttelte ihn durch wie einen jungen Zwetschgenbaum. Der Stallbursche trat wild um sich. Doch der Kutscher war nicht nur kräftig, sondern auch geschickt.
    »Ich habe deine Mulis nicht!«, japste der Junge.
    »Du wirst schon noch mit der Sprache herausrücken!«, grollte der Kutscher und zerrte den anderen Richtung Viehtränke. Die Gänse, die eben noch ihr Morgenbad im Trog genommen hatten, stoben protestierend auseinander. Kurzerhand hob der Kutscher das Bürschlein am Gürtel hoch und tauchte es kopfüber in das Becken. Dabei landete der Knecht doch noch einen Treffer. Der Kutscher schrie auf und ging in die Knie. Prustend tauchte der Stallbursche auf. Weiße Daunenfedern klebten in seinem nassen Haar. Flugs kletterte er aus dem Wasser und suchte sein Heil in der Flucht. Aber das Glück war ihm nicht hold. Er prallte mit einer Küchenmagd zusammen, die auf ihrem Kopf einen Krug Wasser balancierte. Klirrend ging das Geschirr mitsamt der Magd zu Boden, und augenblicklich war der Kutscher wieder über seinem Gegner. Die umstehenden Knechte johlten und klatschten Beifall. Mittlerweile hatte sich der Kutscher von dem Schlag erholt und warf sich nun mit seinem ganzen Gewicht auf den Stallburschen.
    »Da, meine Faust wird dich lehren, deine Finger von anderer Leute Pferden zu lassen!«
    Knirschend brach das Nasenbein des anderen. Schaulustige drängten sich um die Kämpfenden. Erste Wetten wurden abgeschlossen. In diesem Moment schob sich ein stämmiger, drahtiger Mann in den Kreis der Zuschauer. »Auseinander!«, herrschte er die Streithähne an.
    Der Kutscher war jedoch noch nicht bereit, von seinem Opfer abzulassen, und versetzte diesem erst noch einen Hieb in den Magen.
    »Im Namen des Truchsess! Auseinander, habe ich gesagt! Was ist denn überhaupt los?«
    Schwer atmend und mit immer noch geballten Fäusten gab der Kutscher den Stallburschen frei und richtete sich auf. Er war fast einen Kopf größer als der Mann, der ihn zur Rede stellte, und um einiges schwerer. Wütend stierte er den Kerl an,

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