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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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nehme … Allein wie der mich angestarrt hat, als wollte er mich mit seinen Augen ausziehen. Ganz heiß ist mir geworden.«
    Arigund sah ihre Zofe erstaunt an. »Ehrlich? Davon hab ich gar nichts mitbekommen. Ich dachte, nachdem ich ihm Bescheid gegeben habe, würde er dich nicht weiter belästigen.«
    »Er scheint sich nicht drum zu scheren. Hier auf Brennberg ist er der Herr.«
    »Irrtum. Du gehörst zu mir. Er hat dir gar nichts zu befehlen!«, meinte Arigund bestimmt. »In jedem Fall habe ich das Gefühl, Frau Kunigund wird mich heute nicht mehr empfangen, also gehe ich besser zur Kapelle und bringe die Buße hinter mich. Heute kann ich sowieso nichts mehr essen. Ich habe immer noch das Gefühl, jeden Bissen sofort wieder von mir geben zu müssen.«
    »Aber in diesem abscheulichen Ding«, Annelies wies mit dem Kopf auf das Büßerhemd, »könnt ihr keinesfalls durch die halbe Burg laufen.«
    Nachdenklich spielte Arigund mit ihren braunen Locken. »Weißt du was, ich werde dieses Hemd einfach über mein Baumwollkleid ziehen. Aber was soll ich mit den Schuhen machen? Ich werde gewiss nicht barfuß wie eine Unfreie dorthin gehen.«
    »Ich habe eine Idee: Ich begleite Euch hinunter in die Burgkapelle. Ihr zieht Eure Sachen erst kurz vorher aus – in der Kirche sieht Euch ja doch niemand. Und wenn Ihr sie wieder verlasst, werde ich da sein und sie euch wiedergeben.«
    »So machen wir das. Ach, Annelies, was für ein schrecklicher Tag!«, jammerte Arigund.
    »Es werden wieder bessere kommen«, versuchte die Magd ihre Herrin zu trösten, aber es klang nicht wirklich überzeugend.
    Arigund schluckte. Sie reinigte sich rasch, zog sich frisches Unterzeug an, warf sich ihr einfachstes Kleid über und zog dann das graue Büßergewand darüber. Annelies spähte in den mit Kienspänen beleuchteten Gang. Niemand war zu sehen. Vermutlich befanden sich alle schon beim Nachtmahl.
    »Rasch!«, raunte die Zofe und winkte. »Hier entlang.«
    Flink rannten die beiden Mädchen los. Die Hauskapelle befand sich am unteren Ende der Burg. Groß war sie nicht, jedenfalls nicht zu vergleichen mit der Kirche des Minoritenklosters. Eine einfache Holzpforte diente als Eingang. Annelies hielt den Finger auf den Mund und bedeutete ihrer Herrin, nun Schuhe und Strümpfe auszuziehen. Hastig streifte die junge Patrizierin die Sachen ab. Dann sank sie auf die Knie. Gerade rechtzeitig. Knarrend öffnete sich die hölzerne Kirchenpforte, und der Priester stand drohend über ihr. Er warf einen verächtlichen Blick auf Annelies, dann auf sein neues Schäflein, dessen Wolle noch rabenschwarz war. Aber er war willens, alle seine Kräfte aufzubieten, es vor den sündigen Versuchungen, mit denen es auf dieser Burg konfrontiert werden würde, zu bewahren. Allerdings waren die meisten seiner Versuche, die jungen Herrschaften auf gottgefälligen Pfaden zu halten, fehlgeschlagen. Doch seinen missionarischen Eifer hatte das nicht gebremst. Jede gerettete Seele lohnte den Einsatz. Mal schauen, wie es ihm mit dieser hier erging.
    Er musterte das Mädchen streng. Es war knabenhaft schlank, und sein Körper entbehrte noch so gut wie jeder weibischen Ausprägung. Nur sein Haar war lang und fiel in gefälligen Locken über die Schultern. Irgendwie erinnerte es ihn an jemanden, und plötzlich überkam ihn eine Vision. Arigunds Gesicht verschmolz mit den Zügen der unschuldigen Madonna, bevor Gott der Herr sie erwählt hatte. Der Pater meinte sogar, in ihrem Haar einen Strahl vom Licht des Heiligen Geistes zu erkennen. War dieses Mädchen etwa auserwählt und er, Pater Anselm, berufen, sie auf dem Pfad der Unschuld zu begleiten? Ein warmes Gefühl durchströmte den Gottesmann. Der Herr machte ihn zu seinem Werkzeug. Doch hier, in diesem Sündenpfuhl, würde seine Aufgabe nicht einfach sein. Er musste behutsam vorgehen. Dann schossen ihm mehrere Gedanken gleichzeitig durch den Kopf. Zum einen zog die Liste passender Frauenklöster vor seinem geistigen Auge vorbei, es blieb bei Eichstätt haften. Zum anderen kalkulierte er kurz, welch reiche Mitgift die Tochter eines angesehenen Kaufmanns erhalten würde, die dann dem Kloster zuflösse. Zuletzt überlegte er, welche Vorteile das Ganze für ihn, den einfachen Mönch, bringen würde. Eventuell würde ihn der Bischof an seinen Hof berufen? Vielleicht stand ihm eine politische Karriere bevor? Pater Anselm atmete tief durch. Er bemerkte, dass sein Blick schon viel zu lange auf dem Mädchen ruhte. Streng mahnte er sie: »Es ist

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