Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
entgegen. Ihr eigenes Kästchen, für das sie persönlich den Schlüsselbund an ihrem Busen trug, konnte das Nachfüllen gut brauchen. Insbesondere das Salz ging zur Neige, ebenso wie die Nelken für den Würzwein. Und vielleicht hatte das Kind sogar Pfeffer dabei? Es wurde Zeit, das Mädchen offiziell zu begrüßen.
Doch jetzt zählte sie erst einmal die Eier. Siebenundzwanzig. Sehr gut. Vorsichtig legte sie die Ausbeute in den Korb. Sie würde sie eigenhändig in die Küche bringen. Dort herrschte bereits Hochbetrieb. Mit hochrotem Kopf kneteten die Bäcker Teig für die wöchentliche Fladenbrotration. Zwei Mägde zerstießen eifrig Hirse. Die eine davon war die Zofe der Regensburgerin, ein hübsches Ding mit blonden Zöpfen und Sommersprossen im Gesicht. Sie war gut genährt, hatte aber auch geschickte Hände. Kunigund ging zu ihr hinüber. Die Mägde erhoben sich augenblicklich und erwarteten die Anordnungen ihrer Herrin.
»Nun, wie ich sehe, machst du dich nützlich«, lobte die Burgherrin die Zofe. Prüfend fuhr sie mit zwei Fingern in die zerstoßene Hirse. Ihr Gesicht nahm einen wohlwollenden Ausdruck an. »Wie heißt du?«, fragte sie.
»Annelies«, antwortete das Kind mit gesenktem Haupt.
»Seht gut, Annelies, sieht so aus, als könnten deine Hände mehr als Zöpfe flechten. Es ist lobenswert, dass du dir für die Küchenarbeit nicht zu schade bist. Sei also willkommen auf Burg Brennberg!«
Das Mädchen lief rot an und versank in einem noch tieferen Knicks. »Danke, Herrin.«
Manieren besaß das junge Ding, immerhin. Wie erfreulich. Die Burgherrin sah nach dem Koch, um mit ihm die Speisen des Abends zu besprechen und noch einmal einen abschätzenden Blick in den Getreidespeicher zu werfen. Das war rasch erledigt. Der letzte Teil ihres Rundgangs führte sie in den Garten. Bauernsöhne, die den Frondienst ableisteten, waren dabei, die Beete für die Aussaat des Gemüses vorzubereiten und reichlich Mist darunterzuheben. Der größte Teil des Gartens diente dem Anbau von Gemüse und Kräutern, in einigen kleinen Beeten wurden aber auch Heilkräuter für Tees und Aufgüsse gezogen. Auch Apfel- und Kirschbäume wuchsen dort. Im hinteren Bereich aber, der eine schöne Aussicht über das Land bot, hatte Kunigund ihrem Gatten ein Stückchen Land für einen Rosengarten abgerungen. Um diese Jahreszeit waren die Stöcke zwar noch teilweise braun, aber die ersten grünen Blätter und Knospen hatten schon hervorgetrieben und gezeigt, dass die Stöcke den tiefen Schnee unbeschadet überstanden hatten. Kunigund freute sich bereits auf den Sommer, wenn süßlicher Duft aus den rosafarbenen Blüten strömen würde. Es war die Zeit der Besuche von Freundinnen und Verwandten, die sich vom anstrengenden Ritt hier im Rosengarten bei einem Glas Fruchtsaft und dem Lautenspiel eines Musikanten erholten. Während der nächtlichen Gelage wurden Hochzeitspläne geschmiedet und sich bei Met oder Bier amüsiert. Kunigund begann zu träumen. Ja, wenn erst der Sommer im Land wäre, dann würde es allen wieder besser gehen.
Die Stimme von Pater Anselm riss die Burgherrin aus ihren Gedanken. Sie entdeckte den Kaplan in trautem Gespräch mit der Kaufmannstochter, die ihm ehrfürchtig lauschte. Sie erwiderte etwas, und – meine Güte! – es sah tatsächlich so aus, als würde der alte Griesgram von Pater lächeln. Verwundert runzelte die Burgherrin die Stirn. Was für einen Zauber hatte die kleine DeCapella gewoben, um sich so schnell das Wohlwollen des gestrengen Sittenhüters dieser Burg zu versichern? Kunigund musterte das Mädchen. Ein Kind fürwahr, schmächtig wie ein Junge, klein für ihr Alter und mit dem dunklen Teint ihrer italienischen Vorfahren. Es sah deutlich besser aus als am Vortag. So war es wohl doch nur der Wein gewesen, der es aufs Lager geworfen hatte. Kunigund atmete auf. Das Fieber hätte ihnen auf der Burg gerade noch gefehlt. Ruhig wartete sie ab, bis die beiden sie entdeckt hatten und herangekommen waren. Das Mädchen knickste, wie es sich gehörte. Kunigund nickte Pater Anselm zu und wandte sich dann an die kleine DeCapella: »Ich freue mich, dass du dich von den Strapazen der Reise erholt hast, mein Kind. Pater Anselm hat dir alles gezeigt?«
»Ja, hohe Herrin«, antwortete die Kaufmannstochter. Sie hatte eine helle Stimme, die jedoch klar und ohne Furcht war.
»Ich hoffe, du wirst dich bei uns wohl fühlen. Ich erwarte dich in Kürze im Frauenzimmer, um dich den anderen Damen vorzustellen. Wir sticken
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