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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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windgeschützten Felsüberhang gesucht. Selbst mit meinem dicken Fellmantel musste ich mich möglichst dicht ans Lagerfeuer kauern, um nicht zu frieren. Rainelf dagegen, der selbst für einen Sommertag leicht bekleidet war, schien die Kälte nicht zu spüren.
    Ich wollte, dass wir uns die Nachtwache teilten, aber zu meiner Verärgerung weckte mich Rainelf einfach nicht, als ich an der Reihe gewesen wäre. Als ich im Morgengrauen erwachte, saß er noch immer im Schneidersitz vor dem Lagerfeuer und starrte in den Wald. Auf meinen Vorwurf hin reagierte er nur mit einem Schulterzucken und meinte, er wäre sowieso nicht müde gewesen.
    Rainelf streckte mir die Hand entgegen und half mir mit überraschender Kraft über eine steile Böschung hinweg. Ich blickte mich erschöpft um. Zwischen den Bäumen konnte ich das Glitzern des großen Sees erkennen. Wir hatten schon ziemlich viel an Höhe gewonnen. Es konnte also nicht mehr allzu weit bis zur Klamm sein.
    Ein seltsam schnüffelndes Geräusch riss mich aus meinen Gedanken. Als ich mich umwandte, schnupperte Rainelf mit gerümpfter Nase an meinem Hals.
    »Was?«
    Rainelf hob den Kopf und warf mir einen argwöhnischen Blick zu. »Ich kenne diesen Geruch. Du riechst nach Quellwicht.«
    Ich lief rot an. Wie um alles in der Welt konnte er das jetzt noch wahrnehmen? Ich hatte mich in der Zwischenzeit unzählige Male gewaschen.
    »Kann ich mir nicht erklären«, murmelte ich und wandte mich ab. Ich spürte seinen forschenden Blick im Nacken.
    »Seltsam. Sehr seltsam.« Er wandte sich ab und marschierte mühelos weiter.
    Ich wartete noch einen Moment, bis ich wieder einigermaßen zu Atem gekommen war, und wandte mich noch einmal dem großen See unter mir zu.
    Ich erstarrte. Für einen Augenblick kam es mir vor, als sähe ich eine riesige Silhouette unter den glitzernden Fluten dahingleiten. Vermutlich nur eine Sinnestäuschung – eine Wolke, die gerade über den See zog.
    »Ainwa?«
    »Ich komme ja schon«, rief ich und folgte Rainelf den Hang hinauf.
    Wir legten den Rest des Marschs nahezu schweigend zurück. Der Weg durch die Klamm war genauso kalt und beschwerlich wie das letzte Mal. Am Wasserfall angekommen, entzündeten wir ein Lagerfeuer, an dem ich meine tauben Glieder aufwärmte. Rainelf stand währenddessen am Eingang zur Klamm und beobachtete die davoneilenden Wassermassen.
    »Frierst du eigentlich nie?«, fragte ich verwirrt.
    »Ich beginne langsam, es wieder zu fühlen«, sagte er und wandte sich ab.
    Ich schüttelte den Kopf und starrte in die hell lodernden Flammen. Wir mussten aufpassen, dass das Feuer nicht zu rauchen begann. Ich wettete, Nephtys verging sowieso schon vor Sorge, also wollte ich sie nicht noch weiter ängstigen, indem ich eine schwarze Rauchsäule in den Himmel steigen ließ.
    Ob Kauket bereits nach Hause zurückgekehrt war? Gut möglich. Ich würde sofort ins Wanifenhaus zurückkehren und den beiden berichten, was passiert war, sobald ich mit dem Tatzelwurm gesprochen hatte …
    Ich holte die Fackel, die ich am Wasserfall zurückgelassen hatte und entzündete sie, dann erstickte ich das Lagerfeuer unter einem großen Haufen Schnee. Niemand, der zufällig hierher kam, sollte denken, dass dieser Platz von anderen Menschen genutzt wurde.
    Rainelf erwartete mich bereits an einem der Wechselsteine. Es war das erste Mal, dass ich außerhalb des Wanifenhauses in die Geisterwelt wandelte und ich versuchte, die unangenehme Erinnerung an meinen letzten Ausflug dorthin zurückzudrängen. Ich musste Ata zurückgewinnen, um mein Volk in Zukunft zu beschützen – aber das war nicht der einzige Grund …
    »Wo ist dein Hermelinenwór?«, fragte ich, als wir durch die Dunkelheit der Höhle wanderten.
    Rainelfs angespannte Miene tauchte im Licht der Fackel auf. »Es wäre nicht klug, dem Tatzelwurm mit unseren Geistern gegenüberzutreten. Er könnte das als Angriff verstehen. Deshalb habe ich dir auch nicht erlaubt, den Percht hierher mitzunehmen.«
    Ich musste zugeben, ich hatte mir die Sache etwas anders vorgestellt. Wir beide, Rainelf und ich, in Begleitung des Perchts und seines Hermelinenwórs, die uns im Notfall die nötige Ablenkung verschaffen konnten, um uns aus dem Staub zu machen. Ich begann, mich etwas unwohl zu fühlen. Vielleicht war diese Sache doch keine so gute Idee.
    »Es ist sehr wichtig, ihn nicht zu reizen«, erklärte Rainelf. »Richte auf keinen Fall deinen Bogen auf ihn.«
    »Er würde es doch gar nicht sehen, oder?«, wunderte ich

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