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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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schwarze Fell eines Bären. Ich zwang mich, nicht darüber nachzudenken, wie stark Gorman sein musste, wenn er eine Bestie wie diese mit bloßen Händen erlegen konnte.
    Er wandte den Blick zum Himmel. Seine Augen wurden von einem unheimlichen Funkeln erfüllt, als sich das Mondlicht darin spiegelte. Er schloss seine Lider und ich hörte, wie er die Luft durch die Nase einsog.
    Ich fühlte mich wie gelähmt vor Angst und gleichzeitig, ja, gleichzeitig hätte ich vor Freude weinen können, ihn zu sehen.
    Mit dem Zeigefinger strich Gorman über die verschlungenen Linien seines Elchenbands.
    Erschrocken fühlte ich ein leichtes Prickeln auf meinem Unterarm. Der Zauber war doch geschwächt! Gorman konnte ihn nicht mehr einsetzen, um mich zu finden.
    Ein Lächeln breitete sich auf Gormans Miene aus. Er ließ seinen Arm sinken und öffnete langsam die Augen.
    »Ich weiß, dass du hier bist, Ainwa«, sagte er laut.
    Ich zuckte zusammen.
    »Ich kann dich noch immer spüren, auch wenn unsere Verbindung geschwächt ist. Wir sind immer noch eins.«
    Gorman trat ein paar beinahe gemächliche Schritte in meine Richtung, die aber nicht über die Kraft hinter seinen Bewegungen hinwegtäuschen konnten.
    »Es ist an der Zeit, zu mir zu kommen, meine Ainwa«, erklärte Gorman. »Was ich geworden bin, bin ich für dich geworden. Unsere Schicksale sind auf ewig verknüpft. Alles in mir verzehrt sich nach dir.«
    Er machte einen weiteren Schritt auf unser Versteck zu.
    »Komm jetzt zu mir, Ainwa, lass es uns zu Ende bringen.«
    Ich senkte den Blick. Ich wollte nichts mehr, als aufstehen und zu ihm hingehen. Es breitete sich die irrwitzige Vorstellung in mir aus, ich könnte ihn irgendwie zurückbringen, wenn ich ihm nur erst gegenüberstand. Er war mein Bruder. Er hatte Schlimmeres als den Tod erduldet, um es mir zu ersparen.
    »Komm«, flüsterte Gorman.
    Mein Körper zitterte. Langsam stemmte ich mich in die Höhe.
    »Jaaa …«, flüsterte Gorman mit geschlossenen Augen.
    Gerade als ich aus dem Busch hervortreten wollte, packte mich Rainelf an den Armen und riss mich zu Boden.
    Gorman stieß ein enttäuschtes Brüllen aus.
    Irgendwo hinter uns in den Bergen stimmten Wölfe mit in sein Brüllen ein.
    Ich wollte mich losreißen, aber Rainelf hielt meine Arme ganz fest und fixierte mich mit dem Blick seiner grauen Augen.
    »Ich weiß, wer dich vor mir versteckt«, schrie Gorman. »Aus den Knochen des Wieselmanns mach ich dir eine Halskette.«
    Im selben Augenblick hörte ich auf, gegen Rainelfs Griff anzukämpfen. Er riskierte gerade sein Leben, um meines zu retten. Wenn ich jetzt da rausging, brachte ich nicht nur mich in Gefahr.
    Gorman schien inzwischen seine Fassung wiedergewonnen zu haben. Seine Stimme klang nun ruhig, beinahe verführerisch. Sogar seinen Sprachfehler schien ihm der Kelpi genommen zu haben.
    »Ich warte auf dich, Ainwa. Die Zeit ist auf meiner Seite. Was immer unser Elchenband schwächt, es schwindet und wenn der Bann erst gebrochen ist … gehörst du mir.«
    Ich schloss die Augen, und versuchte Gormans Stimme aus meinem Kopf zu verbannen.
    »Was immer du tust, wie stark du auch werden wirst, meine Kleine, am Ende des Weges warte ich auf dich. Zwei Seelen, ein Blut.«
    Gorman lachte leise.
    »Am Tag nach dem Blutmond hast du mir ein mächtiges Geschenk gemacht. Ich verspreche dir, noch bevor wir uns wiedersehen, werde ich dieses Geschenk erwidern.«
    Er verwandelte sich wieder in einen Schatten und rauschte durch das Moorgras davon, so schnell, dass ich ihm mit den Augen nicht folgen konnte.
    Rainelf hielt meine Arme immer noch fest.
    Wahrscheinlich war die Gefahr noch nicht vorüber, vermutlich würde er mich immer noch finden, wenn ich das Versteck jetzt verließ. So sehr es mir Rainelf gegenüber auch unangenehm war, ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten.
    Stundenlang saßen wir unter dem Busch mitten im großen Seemoor. Ich lautlos schluchzend und Rainelf, der mich festhielt.
    Erst als der Himmel sich allmählich heller färbte und ein blasses Orange annahm, ließ Rainelf mich los und erhob sich.
    Ich folgte ihm und trat unter dem Busch hervor.
    Rainelf beugte sich über einen Zweig und roch an der weißen Doldenblüte an seiner Spitze. »Er hat uns gerettet«, murmelte er. »Holunder bietet Schutz vor Geistern. In jedem anderen Versteck hätte der Kelpimensch dich aufgespürt.«
    »Sein Name ist Gorman«, sagte ich mit rauer Stimme.
    »Ein Name ändert nichts.« Rainelf wandte sich ab. »Wenn du

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