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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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Leises Knurren ertönte in der Dunkelheit.
    Wölfe waren mit Abstand die klügsten Raubtiere, die die Urwälder des Seenlands durchstreiften. Die Ata betrachteten sie als ihresgleichen, Jäger, die ihre Beute im Rudel jagten und durch List und Ausdauer zur Strecke brachten.
    Atajäger und Wölfe gingen einander aus dem Weg, denn eine Auseinandersetzung nutzte keinem von beiden. Genau darin lag das Problem. Ainwa war unbewaffnet und allein. Sie war kein Jäger, sie war Beute.
    Sie würden sie gemeinsam angreifen, sobald sie nur den kleinsten Fehler beging. Aber spätestens dann, wenn ihre Fackel …
    Ein kühler Windstoß fegte durch den Wald. Das wärmende Licht der Fackel flackerte kurz auf – und erlosch.
    Sie fluchte.
    Das Knurren in der Dunkelheit wurde lauter. Sie taumelte ein paar Schritte zurück und hielt sich mit einer Hand am Stamm einer Lärche fest, mit der anderen Hand umklammerte sie weiter die erloschene Fackel.
    Sie würde wenigstens einem der Wölfe den Schädel einschlagen, bevor sich der Rest des Rudels auf sie stürzte. Obwohl sich lähmende Angst in ihr ausbreitete, spürte sie auch eine Art Trotz in sich emporsteigen. Gorman brauchte sie. Vielleicht kämpfte er gerade jetzt schwer verletzt ums Überleben. Sie durfte nicht sterben, wenn sie ihn retten wollte.
    Lautes Hecheln … Von allen Seiten hörte Ainwa das Tappen weicher Pfoten, die auf sie zurannten. Sie spürte einen Luftzug, der ihr den scharfen Wolfsgeruch in die Nase trieb. Ein schwerer Körper traf sie und riss sie zu Boden.
    Ainwa schrie auf und packte den Wolfsschädel, der blitzschnell nach ihrer Kehle schnappte. Der Wolf biss um sich und versuchte, sich aus ihrem Griff zu befreien. Ainwa versetzte ihrem Angreifer einen kräftigen Tritt in den Bauch, der den Wolf mit einem schmerzerfüllten Jaulen zurückschleuderte.
    Sie wollte aufspringen, als sich messerscharfe Zähne in ihren Oberarm bohrten und sie zurückrissen. Ainwa brüllte vor Schmerz und schlug blind um sich.
    Ein Knurren ertönte. Sie erblickte einen dunklen Schatten über sich und spürte den heißen Atem des Wolfes auf ihrer Kehle. Diesmal würde sie nicht schnell genug sein. Die Wölfe hatten gewonnen.
    Ein dunkles Grollen erschallte im nächtlichen Urwald.
    Der Wolf, der gerade im Begriff gewesen war, ihr die Kehle durchzubeißen, hob ruckartig den Kopf und spitzte die Ohren. Seine Silhouette zeichnete sich deutlich gegen den Nachthimmel ab.
    Ainwa wagte nicht, zu atmen.
    Das Grollen wiederholte sich. Ein kühler Wind zog auf und ließ die Äste der Bäume ächzen. Die anderen Wölfe trabten unruhig auf und ab und winselten aufgeregt.
    Dichte Wolken zogen über den Himmel. Sie vernahm entferntes Donnergrollen. Mächtige Baumstämme verbogen sich langsam, als würde eine riesenhafte Hand sie zur Seite drücken.
    Jetzt winselte auch der Wolf, der sie bisher in Schach gehalten hatte. Sein muskulöser Körper duckte sich ängstlich. Zögerlich kroch er von ihr hinunter.
    Das Grollen wiederholte sich, fast wie das Knurren eines riesigen Ungeheuers. Die Wölfe jaulten und verschwanden mit geschmeidigen Sätzen im Wald.
    Ainwa rappelte sich auf.
    Es war wieder da … dasselbe unsichtbare Ding, das bei ihrer ersten Jagd aufgetaucht war – und worum es sich auch immer handelte, ein ganzes Wolfsrudel hatte davor Reißaus genommen.
    Der Wind zerrte an ihren Haaren und an ihrer Kleidung. Sie hob ihren Arm schützend vor das Gesicht.
    »Geh weg«, rief sie zitternd. »Ich muss Gorman suchen.«
    Ainwa machte einen entschlossenen Schritt den Berg hinauf. Das Grollen war so laut, sodass sie das Vibrieren der Erde unter ihren Füßen spürte.
    Auf einmal änderte sich der Laut. Ein hellerer Ton erklang, beinahe sanft. Etwas Weiches strich über ihren Körper, obwohl sie nicht das Geringste erkennen konnte. Sie schloss die Augen und presste die Lippen aufeinander. »Gorman braucht mich«, wisperte sie.
    Etwas Hartes stieß sie zurück und ließ sie ein paar unbeholfene Schritte bergab taumeln.
    »Ich geh nicht wieder zurück«, schrie Ainwa, als sie wieder festen Stand gefunden hatte.
    Ein zorniges Brüllen erschallte.
    Ainwa duckte sich und hielt sich die Ohren zu.
    »Du kannst mich töten, aber ich werd nicht umkehren, nicht ohne Gorman.«
    Wieder ein Brüllen und dann war es auf einmal wieder still. Der Wind verebbte. Bäume, die sich gerade noch ächzend zur Seite geneigt hatten, richteten sich wieder auf.
    Ainwa blickte sich verwirrt um. War es weg? Hatte das unsichtbare

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