Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
Vom Netzwerk:
ihm das nächste Mal begegnest, wird er nicht so einfach zu täuschen sein.«
    »Wieso glaubst du, wir wären jetzt vor ihm sicher?«
    »Das sind wir nicht. Die Nacht verleiht dem Kelpi Macht. Am Tag ist seine Kraft etwas geringer. Ich denke, bei deinem Bruder ist es genauso, was nicht bedeutet, dass er uns nicht auch so mit Leichtigkeit töten könnte.«
    »Ich verstehe.«
    »Du musst weg von hier, Ainwa. Du kannst nicht mehr zurück nach Ataheim, nicht, solange er da draußen ist.«
    »Glaubst du, er hat meine Leute angegriffen, als er im Dorf war?«
    »Ich weiß es nicht«, murmelte Rainelf. »Aber im Moment ist seine ganze Aufmerksamkeit auf dich gerichtet. Wenn sich ihm niemand in den Weg gestellt hat …«
    Vor meinem inneren Auge liefen Dutzende furchtbare Szenarien ab, die sich letzte Nacht in Ataheim abgespielt haben könnten – und ich konnte nicht einmal dorthin zurück, um nachzusehen, was passiert war. »Rainelf?«
    »Was?«
    »Danke.«
    Rainelf senkte den Blick. »Es war nichts.«
    »Du hast mir im Wald geholfen und jetzt wieder. Du hast mir das Leben gerettet.«
    »Das wird sich erst noch herausstellen müssen.«
    »Gestern Nacht am Ratsfeuer habe ich dich gesehen. Zuerst dachte ich, es wäre Gorman, aber in Wahrheit warst du es. Wieso bist du mir gefolgt?«
    Er schwieg.
    Ich schüttelte verwirrt den Kopf.
    »Ich verstehe dich nicht. Im Wald hast du noch gemeint, ich würde den Tod bringen und …«
    »Wenn du mich weiter nervst, bereue ich noch, dich gerettet zu haben«, unterbrach er mich ungeduldig und wandte sich ab.
    Ich musterte ihn, verwirrt über die abwehrende Art, die er manchmal an den Tag legte. »Du weißt etwas über Gorman«, sagte ich einer plötzlichen Eingebung folgend.
    Rainelf wandte sich mir halb zu und schnaubte verächtlich. »Glaub mir, ich weiß nichts über deinen Bruder.«
    »Er wusste, dass du bei mir warst. Er hat dich Wieselmann genannt. Was bedeutet das?«
    Rainelf lächelte spöttisch, aber das verräterische Zittern seiner Lippen verriet, dass er es nur aufgesetzt hatte, um mich nicht sehen zu lassen, was dahinter lag.
    »Ich habe ihn heute Nacht zum ersten Mal gesehen und ich hoffe wirklich, es war das letzte Mal. Du hast keine Ahnung, was dein Bruder geworden ist. Ich kenne kein gefährlicheres Geschöpf als ihn. Etwas wie deinen Bruder dürfte es überhaupt nicht geben. Ich fürchte, uns stehen sehr, sehr dunkle Zeiten bevor.«
    »Klär mich auf!«
    Rainelf seufzte und presste die Lippen zusammen. Der kurze Moment, in dem er mich an seinen Gedanken teilhaben ließ, war verstrichen.
    »Du weißt nichts. Du weißt nichts über unsere Fähigkeiten, nichts.«
    Er packte meinen rechten Arm.
    »Das allein«, er wies auf das filigrane Zeichen unter meinem Handgelenk, »könnte gefährlich werden, für uns alle. Deshalb will er dich, deshalb werden die anderen versuchen, dich zu töten.«
    »Sag mir endlich, was diese Zeichen bedeuten.«
    Rainelf schüttelte unmerklich den Kopf und ließ meinen Arm los. »Du bist wie ein tollpatschiges Gamskitz, das eine Lawine lostritt, Ainwa. Ich habe jedenfalls nicht vor, eine Halskette aus mir machen zu lassen.«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Ich verschwinde.«
    »Und was wird aus mir?«, rief ich, als er sich abwandte. »Du weißt genau, dass es niemand anderen gibt, der mir etwas beibringen könnte. Bei meinem Volk leben keine Wanifen.«
    Rainelf seufzte.
    »Du brauchst einen richtigen Lehrer, Ainwa. Jemanden mit mehr Wissen über diese Kräfte, die in dir wohnen.
    Such am besten nach dem, der dein Elchenband geschwächt hat.«
    »Ich glaube, das waren die Urukus«, platzte ich hinaus und bereute es im selben Augenblick schon wieder, als ich Rainelfs Blick bemerkte.
    »Die Urukus sind nur eine Legende«, erklärte Rainelf mit einem wehmütigen Lächeln. »Ein schönes Märchen für die jungen Wanifen der Ata, die allesamt der Kelpi geholt hat.«
    »Das glaube ich nicht! Gorman hat sie gejagt … und als ich im Wald lag, habe ich ihre Stimmen gehört.«
    »Nun«, meinte Rainelf. »Was haben dir die Stimmen denn gesagt?«
    »Sie …«, ich versuchte angestrengt, mich an die seltsamen Worte zu erinnern. Sie ähnelten einem Lied oder einem Zauberspruch. Brenne, brenne Erlenholz – blühe weißes Knabenkraut – wachse Pilz, Gewächs der Nacht – teile, teile Wasserfall – bring mich ins Wanifenhaus.
    »Ich glaube nicht, dass dir das helfen wird«, kommentierte Rainelf mit hochgezogenen Augenbrauen.
    »Doch, doch, das wird

Weitere Kostenlose Bücher