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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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entfliehen.
    Ich hoffte, die kommenden Tage meiner Ausbildung würden weniger hart werden, aber vielleicht musste ich mich einfach an die ständige Lebensgefahr gewöhnen, vielleicht würde mich von jetzt an immer irgendjemand jagen.
    »Kauket redet nicht oft darüber, aber es hat viele schöne Seiten, ein Wanife zu sein«, meinte Nephtys vorsichtig und setzte sich neben mich.
    »Du meinst, es gibt noch etwas anderes, als um sein Leben zu rennen?«, sagte ich mit vollem Mund.
    Sie lächelte. Mir fiel auf, wie lang ihre Wimpern waren, viel länger als meine oder die der meisten Ata Frauen. Sie verliehen ihr etwas Sanftes.
    »Kauket denkt, er muss dich so schnell es geht starkmachen, damit du dich verteidigen kannst. Er sieht es als seine Aufgabe.«
    Natürlich. Die Urukus hatten schließlich geschworen, die Wanifen der Ata zu beschützen, aus Dank für das, was Feort für sie getan hatte.
    »Ich weiß, die vergangenen Tage waren furchtbar für dich. Ich möchte, dass du etwas hast, auf das du dich freuen kannst.«
    »Wie es aussieht, werde ich nicht viel Zeit für Freude haben. Vermutlich muss ich mich demnächst wieder von ein paar Monstern jagen lassen.«
    Nephtys schürzte missbilligend die Lippen.
    »Kauket hätte dich nicht dorthin schicken dürfen, nicht an deinem ersten Tag. Bei ihm hat es Monate gedauert, bis er so weit war …«
    »Was meinst du damit?«, fragte ich und gähnte. »Kauket hat mich nirgends hingeschickt.«
    Nephtys warf mir einen mitleidigen Blick zu – kaum auszuhalten. Verdammt, war ich wirklich so bedauernswert?
    »Du hast das Wandeln nicht einmal bemerkt?« Nephtys ergriff meine Hand. »Das wirst du noch lernen, aber er hätte es dir vorher sagen müssen.«
    Ich erwiderte ihren mitfühlenden Blick, verspürte aber wenig Lust, über noch mehr rätselhafte Andeutungen nachzugrübeln, dafür war ich einfach zu erschöpft.
    »Danke für das Essen«, murmelte ich und ging zu meinem Felllager.
    Ich ließ mich darauf nieder und spürte eine wohltuende Schwere in meinen Gliedern, als meine Muskeln sich entspannten. Im Hintergrund hörte ich, wie Nephtys ihre Tontöpfe einsammelte und das Feuer löschte.

Kapitel 8
    Wachsen – Sommer, zwei Jahre vor dem Blutmond …
     
     
     
    A lfanger fühlte sich so schlecht wie noch nie. »Es ist meine Schuld. Ich hätte es kommen sehen müssen. Ich wusste, wie viel Gorman ihr bedeutet.«
    »Ainwa könnte noch immer am Leben sein«, murmelte Galsinger.
    »Sie hätte längst zurück sein müssen.« Er schüttelte den Kopf und musterte Galsingers gramgebeugte Gestalt. Normalerweise strahlte der Häuptling so viel Kraft aus. Heute wirkte er wie ein alter Mann.
    Galsinger hob langsam den Blick. Seine Augen waren geschwollen und rot unterlaufen.
    »Was haben wir den Geistern angetan, dass sie mir beide Kinder nehmen?«, flüsterte er.
    »Menschen werden geboren und sterben, auch ohne Zutun der Geister.«
    »Aber nicht Gorman«, erwiderte Galsinger. »Jeder von uns hat gewusst, dass er uns führen würde, wenn ich nicht mehr kann und jetzt …« Er hob seine großen Hände und betrachtete sie mit leerem Blick. »… wurde er mir fortgerissen.«
    Er ließ seine Arme resigniert sinken.
    Ein kühler Wind zog auf und fuhr durch sein Haar. Dumpfes Donnergrollen erschallte. Er sah zum Himmel.
    »Ein Gewitter kommt. Wie aus dem Nichts.«
    »Häuptling?«
    Alfanger wandte sich der Stimme zu, während Galsinger nur auf den See hinausstarrte.
    Andra kam auf sie zugelaufen.
    »Häuptling!« Eine seltsame Unruhe hatte sich über dem Dorf ausgebreitet. Die Menschen verließen trotz des drohenden Unwetters ihre Hütten und blickten erschrocken zum Waldrand hinauf. Eine Frau schrie. Hongar, der alte Jäger, kniff ungläubig die Augen zusammen. Immer mehr aufgeregte Schreie wurden laut.
    »Mein Volk weint«, murmelte Galsinger, ohne aufzublicken.
    Andra zeigte auf etwas hinter ihnen.
    Alfanger drehte sich um und sah in die Richtung, in die sie zeigte.
    Über den Wipfeln der Tannen hatten sich dunkle Wolken zusammengeballt. Der Wind ließ die Stämme der jüngeren Bäume gefährlich schwanken.
    Am Waldrand stand eine aufrechte Gestalt, so reglos, er hatte sie zuerst für einen Teil des Waldes gehalten. Seine Beine drohten plötzlich unter ihm wegzuknicken.
    »Ainwa«, krächzte er und hielt sich gerade noch an Galsingers Schulter fest.
    Galsinger erwachte aus seiner Erstarrung.
    Das Mädchen stand zwischen den Baumstämmen und rührte sich nicht. Ihre Kleidung war zerrissen

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