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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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lassen, das nicht da ist. Ohne Samen können wir keine Pflanze keimen lassen, ohne sein unsichtbares Geflecht in der Erde kann kein Pilz in die Höhe schießen, verstehst du? Das Wachsen ist nur ein Verschieben der Energie, das Beeinflussen eines natürlichen Zyklus, der an sich nicht verändert werden kann.«
    Ich nickte. Das klang ziemlich einleuchtend.
    »Gut. Ich glaube, wir sind bereit für deine nächste Übung. Nephtys lässt dir ausrichten, du sollst ihr einen Beutel voll Bärlauch mitbringen.«
    Kauket warf mir seinen Lederbeutel vor die Füße.
    »Bärlauch?«, fragte ich zweifelnd.
    Der Bärlauch war eine weitverbreitete Pflanze im Seenland, er bedeckte stellenweise den gesamten Waldboden und sein intensiver Knoblauchgeruch erfüllte unmittelbar nach der Schneeschmelze die Luft.
    »Aber der ist doch längst verdorrt. Er wächst nur im Frühling.«
    Kauket warf mir einen spöttischen Blick zu.
    »Ich erwarte dich spätestens zu Mittag in der Hütte.«
    Als er meinen fragenden Blick bemerkte, hob er lächelnd die Hand.
    »Keine Sorge. Diesmal wird sie da sein.« Er verschwand rasch zwischen den Adlerfarnen.
    Ob das auch eine spezielle Fähigkeit der Wanifen war? Dass sie immer besonders schnell verschwanden?
    Ich seufzte.
    Bärlauch … Nun ja, versuchen konnte ich es ja. Ich stellte meinen Stab auf die Erde und versuchte, mich zu konzentrieren.
    »Wachse Bärlauch«, murmelte ich.
    Nichts …
    Warum konnte nicht etwas zur Abwechslung mal auf Anhieb funktionieren?
    Ich blickte auf und griff mir lächelnd an die Stirn. Was war ich bloß für eine Idiotin? Was hatte mir Kauket über die Kraftplätze erzählt? Sie verstärkten die Fähigkeiten eines Wanifen um ein Vielfaches – und ich Dummkopf stand natürlich ein paar Schritte außerhalb der Lichtung.
    Ich lief rasch in die Mitte des Kraftplatzes und stellte meinen Stab auf die Erde.
    Ich musste nur von meinen Fähigkeiten überzeugt sein, dann würde es auch funktionieren. Krampfhaft versuchte ich, mir grüne, saftige Bärlauchblätter vorzustellen.
    »Wachse Bärlauch«, rief ich.
    Die leisen Geräusche, das Rascheln eines alten Blattes, das Rieseln von Erde, waren kaum wahrnehmbar.
    Um meinen Stab herum durchbrachen leuchtend grüne Keime die Erdoberfläche.
    »Ja«, flüsterte ich, als die zarten Bärlauchtriebe ihre Blätter entfalteten.
    Ich roch bereits den leichten Knoblauchgeruch, den die Blätter verströmten. Ich lächelte breit. Kauket und Nephtys hatten recht. Es hatte tatsächlich auch schöne Seiten, eine Wanife zu sein.
    Ich wiederholte den Vorgang ein paar Mal, bis ich genug Blätter gesammelt hatte, um Kaukets Beutel zu füllen. Auch wenn ich seine Aufgabe schon erfüllt hatte, beschloss ich noch ein wenig zu experimentieren. Wenn ich mich konzentrierte, konnte ich die Bärlauchpflänzchen sogar bis zum Blühen bringen.
    Außerhalb des Kraftplatzes gestaltete sich das Ganze erheblich schwieriger. Erst nach Dutzenden Versuchen brachte ich einen einzelnen, verkümmerten Trieb zustande, aber immerhin, ich hatte den ersten Schritt getan, eine der vier Wanifenfähigkeiten zu meistern.
     
    Es war lange vor Mittag, als ich zur Hütte zurückkehrte, deshalb beschloss ich, Kauket und Nephtys zu überraschen. Vorsichtig schlich ich mich zum Hütteneingang.
    »Es gefällt mir nicht, dass du ihn verfolgst, Kauket. Es ist gefährlich«, hörte ich Nephtys’ besorgte Stimme.
    »Ich habe dir schon gesagt, du musst dir keine Sorgen machen. Ich habe nirgends eine Spur von dieser Gorman Kreatur gefunden«, erwiderte Kauket genervt.
    Ich verharrte und ließ die Hand sinken, mit der ich gerade das Wisentfell am Eingang zur Seite schlagen wollte. Ich hatte kein Interesse, die beiden zu belauschen – es sei denn, sie wussten etwas Neues von Gorman, dann musste ich es hören.
    »Vielleicht hat er aufgegeben, Ainwa zu jagen.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Auf jeden Fall möchte ich nicht, dass du nach ihm suchst«, flüsterte Nephtys. »Bitte. Stell dir vor, er würde dir folgen. Stell dir vor, er würde herausbekommen, wo Ainwa ist.«
    »Das würde ich nicht zulassen!«
    »Ich weiß«, sagte Nephtys leise. »Und der fremde Wanife, von dem Ainwa gesprochen hat?«
    »Schwer zu sagen … Ich vermute, er ist noch in der Nähe, aber er ist wie ein Geist. Unmöglich, ihm zu folgen. Er muss ein exzellenter Wandler sein.« Rainelf! Warum hatte er das Seenland nicht verlassen? Gorman würde ihn töten, wenn er ihn fand. War es möglich, dass er es sich anders

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