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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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immer vereint sein.«
    Für einen Augenblick wackelte meine Selbstkontrolle. Rote Schleier vernebelten mir die Sicht. Nimm sie! Nimm sie jetzt, wo sie so hilflos in deinen Armen liegt. Töte sie!
    Ich stöhnte auf. Plötzlich traf mich ein kräftiger Stoß und ich wurde zurückgeschleudert. Sofort verwandelte ich mich in einen Schatten und stand kurz darauf wieder auf den Füßen. Ausgezeichnet! Wenigstens irgendjemanden würde ich heute Nacht töten können.
    Wütend sah ich durch das Innere der Hütte – doch ich konnte keinen Angreifer entdecken. Schließlich blieb mein Blick auf einem weißlichen Schimmer neben der schlafenden Gestalt des Mädchens haften. Ich lachte leise. »Du kannst mir hier nichts antun.« Das Schimmern schien sich ein wenig zusammenzuballen und bewegte sich zwischen dem Mädchen und mir. Wenn es noch einmal angriff, würde ich vorbereitet sein, auch wenn es mich hier nicht ernsthaft verletzen konnte. Ein breites Grinsen breitete sich auf meiner Miene aus. »Sie ist für dich verloren«, knurrte ich. Mit einem letzten gierigen Blick auf das schlafende Mädchen rauschte ich in die schwarze Nacht hinaus.
     
    Ich erwachte mit einem Schrei. Kauket und Nephtys fuhren wie vom Blitz getroffen in die Höhe und blickten sich verwirrt um. Meine verschwitzte Kleidung klebte mir am Körper. Ich keuchte und versuchte vergeblich, mich zurechtzufinden. Die Glut des Herdfeuers in der Mitte der Hütte, mein zerwühltes Felllager. Der Stab lag neben mir auf dem Boden.
    »Was ist?«, fragte Kauket alarmiert.
    Ich sah zu Nephtys.
    »Er wird sie töten, Nephtys! Gorman wird das Mädchen töten!«
    »Ainwa, du hast geträumt«, erklärte Kauket bestimmt.
    »Nein«, rief ich panisch. »Du verstehst nicht, er wird sie töten, beim halben Mond. Das ist … Bei Ata, das ist in zwei Tagen! Ich versteh’s jetzt. Die ganze Zeit hab ich sie durch seine Augen gesehen. Es waren keine Träume. Sie ist eine Wanife und Gorman will sie umbringen.«
    »Was?«
    »Kauket«, murmelte Nephtys. »Ich glaube, Ainwa hat recht.«
    Kauket bedachte sie mit einem starren Blick, dann lief er zu mir und packte meinen linken Arm.
    Entschlossen krempelte er mein Lederhemd auf und starrte auf die Narben des Elchenbands.
    Die Linien, die ich mir damals in meinen Arm geritzt hatte, wirkten gerötet und ich spürte ein leichtes Kribbeln. Kauket schloss die Augen und blies die Luft durch seine Nase aus.
    »Der Bannzauber wird schwächer«, flüsterte er.
    »Kauket, du musst es noch einmal schwächen«, sagte Nephtys.
    »Du weißt, dass das unmöglich ist. Nicht einmal, wenn ich den Trank verwenden könnte … Das Elchenband gewinnt an Kraft.«
    »Was sollen wir tun?«, rief Nephtys.
    Kauket ließ meinen Arm los und richtete sich auf.
    »Erzähl mir haargenau, was du gesehen hast.«
    Ich senkte den Kopf.
    »Ainwa!«
    Ich sah nicht auf, als ich zu erzählen begann. Es wäre mir unmöglich gewesen, Kauket ins Gesicht zu blicken, während ich über diese Träume sprach.
    Kauket unterbrach mich manchmal und fragte nach Details, den Kleidern des Mädchens, der Form der Hütten, der Landschaft … Ich versuchte, seine Fragen so genau wie möglich zu beantworten.
    »Kennst du ihren Namen? Hast du gehört, wie sie heißt?«
    Ich schüttelte betreten den Kopf.
    Ein leises Seufzen drang an mein Ohr.
    »Sie ist eine Abira oder eine von den Mondleuten, die Angaben sind zu vage …«
    »Wir müssen sie warnen«, flüsterte ich.
    Kauket nickte entschlossen. »Ich mache mich sofort auf den Weg.«
    »Aber wo willst du anfangen?«, warf Nephtys ein. »Der Halbmond ist in zwei Tagen. Du brauchst mindestens eineinhalb Tage von hier aus zu jedem dieser Völker.«
    »Ich werde mein Bestes tun. Sphincos wird mich führen.«
    »Ich komme mit«, erklärte ich.
    »Nein«, erwiderte Kauket bestimmt.
    »Warum nicht?«, rief ich und sprang auf. »Ich habe mehr Grund ihr zu helfen als du. Es ist meine Schuld, dass sie in Gefahr ist!«
    »Ich verstehe deine Gefühle, aber du schadest ihr nur, wenn du mitkommst. Ohne dich kann ich mich in der Geisterwelt viel schneller bewegen und ich muss nicht fürchten, dass er Jagd auf dich macht.«
    Ich schnaubte.
    »Du hältst mich also nur für eine Last? Glaubst du etwa, wenn du Gorman in die Quere kommst, wird er dich in Frieden lassen? Ich könnte dir helfen. Gemeinsam wären wir stärker.«
    »Und wie soll diese Hilfe aussehen, Ainwa?«, fragte Kauket und machte einen Schritt auf mich zu. »Würdest du deinen Bruder töten,

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