Die Washington-Akte
Alarmanlange und dann das stete Rattern von Schnellfeuergewehren.
Was war da los?
Sie sprang vom Boot und nahm eine Leine mit, die sie an einer Pfahlkonstruktion vertäute.
Oben auf der Leiter griff sie nach ihrer Waffe und wandte sich dem Ufer zu.
Hale eilte ins Gefängnis zurück. Er hatte das Gewehrfeuer in der Ferne gehört. Hier, in seiner einsamen Festung, war das ein verstörendes Geräusch. Er nahm ein Telefon zur Hand und rief in der Sicherheitszentrale an.
»Zehn Männer sind von Norden her auf das Anwesen vorgedrungen«, erfuhr er. »Sie haben über Bewegungsmelder Alarm ausgelöst, und wir haben sie auf den Kamerabildschirmen gesehen.«
»Polizei? FBI ? Wer ist es?«
»Wir wissen es nicht. Aber sie sind hier, sie schießen und verhalten sich nicht wie Polizisten. Sie haben die Stromleitung zum Haupthaus und zum Pier unterbrochen.«
Er wusste, wer es war.
Die NIA .
Andrea Carbonell.
Wer sonst?
Knox wollte Nova Scotia verlassen, aber Carbonell und ihre beiden Begleiter schienen keine Eile zu haben. Er beschloss, ihre Geduld zumindest vorläufig nicht zu strapazieren, und setzte sich ins Flugzeug.
»Haben Sie gefunden, weswegen Sie gekommen waren?«, fragte sie ihn.
Er würde ihr nicht antworten. »Zwei meiner Leute sind in diesem Fort gestorben. Ihr Mann, Wyatt, setzt sich gerade mit jemandem namens Cotton Malone auseinander. Haben Sie den ebenfalls geschickt?«
»Malone ist dort? Interessant. Der kommt vom Weißen Haus.«
Dann begriff er, warum sie da war. »Wenn ich etwas gefunden hätte, hätten Sie es mir jetzt abgenommen. Sie hatten gar nicht die Absicht, den Kapitänen die Lösung zu überlassen.«
»Ich muss diese beiden fehlenden Seiten in meinen Besitz bringen.«
»Sie haben es noch immer nicht begriffen, oder? Das Commonwealth ist nicht Ihr Feind. Aber Sie haben sich alle Mühe gegeben, es zu einem Gegner zu machen.«
»Ihr Commonwealth ist am Ende. Es ist von der CIA , der NSA und dem Weißen Haus umstellt.«
Das klang überhaupt nicht gut.
»Wir müssen auf Paw Island zurückkehren«, sagte sie.
»Ich breche von hier auf.«
»Sie können nirgendwohin gehen.«
Was hatte das zu bedeuten?
»Ihr großartiges Commonwealth wird gerade in diesem Augenblick angegriffen.«
»Von Ihnen?«
Sie nickte. »Ich habe beschlossen, dass Stephanie Nelle gerettet werden muss. Und wenn dabei Hale oder ein oder zwei weitere Kapitäne umkommen? Das wäre doch gut für uns alle, oder nicht?«
Ihr rechter Arm bewegte sich, und er erkannte den Umriss einer Waffe in ihrer Hand. »Das ruft mir den anderen Grund in Erinnerung, aus dem wir hier sind.«
Er hörte einen Knall und fühlte, wie etwas in seine Brust eindrang.
Scharf.
Schmerzhaft.
Gleich darauf war die Welt verschwunden.
70
Nova Scotia
Malone rief sich in Erinnerung, was die Besitzerin des Buchladens ihm über die Symbole gesagt hatte: dass sie an verschiedenen Stellen im Fort und auf Steinen und herausgehobenen Stellen der ganzen Insel zu finden waren. Dagegen hatte sie nicht erwähnt, dass man sie auch unterirdisch antreffen konnte. Das war verständlich, wenn man bedachte, dass hier sicherlich keine Besucher hinkamen.
Der Gang, in dem sie in der Falle saßen, schien von einer Seite des Forts zur anderen zu führen. Dunkle Öffnungen übersäten die Wände in verschiedenen Höhen. Keine davon war natürlich, sie waren von Menschen in den Stein gehauen. Er untersuchte eine der Öffnungen und stellte fest, dass der rechteckige Stollen, der in die Finsternis führte, ebenfalls menschengemacht war. Die Öffnungen lagen in etwa ein und in etwa zwei Meter Höhe und tropften noch von der letzten Flut. Er wusste, worum es sich dabei handelte.
Um Zu- und Abläufe.
»Wer immer diesen Korridor gebaut hat, hat dafür gesorgt, dass er bei Flut vollläuft«, sagte er zu Wyatt. »Diese Öffnungen sind der einzige Weg nach draußen.«
Allmählich konnte er nachfühlen, wie den vierundsiebzig britischen Soldaten zumute gewesen sein musste. Unterirdische Räume waren nicht gerade sein liebster Aufenthalt. Insbesondere wenn sie eng waren.
»Ich habe diese beiden Agenten nicht geopfert«, sagte Wyatt zu ihm.
»Das habe ich auch nie geglaubt. Ich habe dich einfach nur für leichtsinnig gehalten.«
»Wir hatten einen Auftrag zu erledigen. Und das habe ich gemacht.«
»Warum spielt das jetzt eine Rolle?«
»Das tut es eben.«
Plötzlich begriff Malone. Wyatt bedauerte diese Todesfälle wirklich zutiefst. Damals hatte Malone das nicht
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