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Die Washington-Akte

Die Washington-Akte

Titel: Die Washington-Akte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Berry
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gebeizt. Das aufwendig gefertigte Balkenwerk des Hauses stammte aus Philadelphia und war nach Süden verschifft und dann mit Ochsenkarren vom Fluss hochgezogen worden.
    Seine Vorfahren hatten eindeutig zu leben verstanden. Sie hatten ein Imperium errichtet und es an ihre Kinder vererbt. Was seine gegenwärtige Notlage noch verschärfte.
    Er würde nicht der Letzte seines Stammes sein.
    Er hielt den Wagen an und ließ den Blick über die Ländereien schweifen.
    Das Wäldchen weiter hinten lag still wie eine Kirche da, es war voller Schatten, in die die untergehende Sonne rasch dahinschwindende rötliche Flecken warf. Die Crew sorgte dafür, dass alles auf dem Anwesen immer voll funktionsfähig war. Was einmal eine Milchkammer mit Walmdach gewesen war, war zu einer Werkstatt umgebaut worden. Das alte Räucherhaus barg ein Kommunikations- und Sicherheitszentrum. Die Außenaborte waren längst verschwunden, aber die Scheunen in Blockhausbauweise standen immer noch dort und boten landwirtschaftlichen Geräten Platz. Besonders stolz war er auf seine Rebenlauben. Seine Scuppernong-Trauben gehörten zu den süßesten im ganzen Bundesstaat. Er fragte sich, ob eines seiner Kinder zu Hause war. Sie waren alle erwachsen und verheiratet, aber bisher hatte noch keines eigenen Nachwuchs. Sie arbeiteten in den legalen Familienunternehmen und waren sich ihres Erbes zwar bewusst, hatten aber keine Ahnung von seiner Verantwortung. Das war immer ein Geheimnis zwischen dem Vater und dem einen Kind gewesen, das eingeweiht worden war. Bis zum heutigen Tag wussten seine Schwestern und sein Bruder nichts vom Commonwealth. Nun kam allmählich die Zeit, da er seinen eigenen Nachfolger aussuchen und auf seine Pflichten vorbereiten musste, genau wie sein Vater es einmal mit ihm getan hatte.
    Er stellte sich vor, was gerade eine Meile entfernt geschah, wo die anderen drei Kapitäne, Oberhäupter ihrer jeweiligen Familien, sich darauf vorbereiteten, seinem Ruf zu folgen. Er ermahnte sich, seinen Zorn zu zügeln. 1835 hatten die Hales einseitig zum Schaden der anderen gehandelt. Jetzt war es andersherum.
    Er trat aufs Gas und fuhr weiter.
    Die geschotterte Straße lief an einem seiner ertragreichsten Sojafelder entlang; die dichten Wälder dahinter bargen viel Rotwild. In der Ferne hörte man die laute Altstimme einer Amsel, die die letzten Strophen einer Ballade schmetterte. Die Natur war ihm immer sehr wichtig gewesen. Die ersten Hales waren 1700 aus England nach Amerika gekommen, und die Fahrt über den Atlantik hatte so lange gedauert, dass die Kaninchen in der Zwischenzeit dreimal Junge geworfen hatten.
    Die Beschreibung des Urvaters der Hales hatte ihm immer gefallen.
    Ein energischer, intelligenter Mann mit Esprit und Charme, der die unterschiedlichsten Fähigkeiten besaß.
    John Hale kam Weihnachten in Charles Town, South Carolina, an. Drei Tage später wanderte er auf Pfaden nach Norden, die nur den Indianern bekannt waren. Nach zwei Wochen stieß er auf den Pamlico River und eine blaue von Bäumen gesäumte Bucht, an der er ein Haus baute. Später fand er einen Hafen, der vor Angriffen vom Wasser her geschützt lag, in Ostrichtung aber bis zum Meer schiffbar war. Er nannte ihn Bath Town, und fünf Jahre später wurde die Gründung des Ortes formal anerkannt.
    Der ehrgeizige John Hale baute Schiffe und erwarb sich ein Vermögen mit Sklavenhandel. Nicht nur sein Wohlstand und Ansehen wuchsen – das Gleiche galt auch für das Städtchen Bath, das sich zu einem Zentrum seefahrerischer Aktivitäten und zu einer Brutstätte der Piraterie entwickelte. So war es nur natürlich, dass Hale ebenfalls in dieses Geschäft einstieg und Jagd auf britische, französische und spanische Schiffe machte. 1717, als König George eine Amnestie für Seeräuber erließ, die schworen, dass sie mit der Freibeuterei aufhören würden, legte Hale einen Eid ab und wurde nach außen hin ein angesehener Pflanzer und Stadtrat von Bath. Insgeheim aber brachten seine Schiffe weiter Tod und Verderben, doch er nahm nur die Spanier aufs Korn, und das störte die Briten wenig. Ihre Kolonien in Amerika wurden zum idealen Marktplatz für den Kauf und Verkauf illegaler Waren. Unter britischem Gesetz durften Exporte nach Amerika nur auf britischen Schiffen mit britischen Seeleuten transportiert werden – was die Preise in albtraumhafte Höhen schnellen ließ und für Güterknappheit sorgte. Die Kaufleute und Gouverneure der Kolonien empfingen die Piraten mit offenen Armen, da

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