Die Washington-Akte
Chefin ist.«
Er bemerkte, dass sie zum Times Square und in die Richtung seines Hotels fuhren, dessen Lage er Andrea Carbonell gegenüber nie erwähnt hatte.
»Leider sind für Stephanie harte Zeiten gekommen«, sagte sie. »Das Commonwealth hat sie vor ein paar Tagen gefangen genommen.«
Das erklärte, warum Malone Wyatts E-Mail in Kopenhagen einfach so hingenommen hatte. Wyatt hatte unter Stephanie Nelles Namen ein Google-Mail-Konto eröffnet. Malone konnte dabei nichts Ungewöhnliches aufgefallen sein. Agenten im Außendienst bedienten sich regelmäßig der üblichen E-Mail-Provider, da diese E-Mails unauffällig waren, nichts über den Absender verrieten und in der Masse der Milliarden von anderen Sendungen untergingen. Wenn Malone den Köder nicht geschluckt oder sich mit Nelle über die E-Mail ausgetauscht hätte, hätte Wyatt auf eine andere Gelegenheit gewartet, seine Schulden zurückzuzahlen. Zum Glück war es nicht so gekommen.
Doch er war neugierig. »Das Commonwealth hilft Ihnen, eine neue Stelle zu bekommen?«
»Es ist dabei.«
»Und was haben Sie, was die brauchen?«
Sie legte den Ordner auf seinen Schoß. »Alles ist hier drin erklärt.«
Er ließ sich von ihr über Kaperfahrer, Kaperbriefe von George Washington, einen Anschlag auf Andrew Jackson und einen Code aufklären, den Thomas Jefferson für nicht zu entschlüsseln gehalten hatte.
»Ein Freund Jeffersons, Robert Patterson, ein Mathematikprofessor, erdachte eine von ihm als perfekt bezeichnete Geheimschrift. Jefferson war fasziniert von Codes. Er liebte Pattersons Code so sehr, dass er ihn als Präsident seinem Botschafter in Frankreich zum offiziellen Gebrauch überließ. Leider ist der Schlüssel nicht überliefert. Pattersons Sohn, der ebenfalls den Namen Robert trug, wurde von Andrew Jackson zum Direktor der amerikanischen Münzanstalt ernannt. So hat Jackson wahrscheinlich von dem Code und seinem Schlüssel erfahren. Man kann wohl annehmen, dass der Sohn Bescheid wusste. Old Hickory war ein großer Fan von Andrew Jefferson.«
Sie zeigte ihm eine Kopie einer handschriftlichen Seite, die neun Reihen scheinbar willkürlich aufeinanderfolgender Buchstaben enthielt.
»Die wenigsten Leute wissen, dass es bis 1834 kaum irgendwelche Dokumente über den Kongress gab. Alle Berichte waren ausschließlich in den getrennt geführten Protokollbüchern des Repräsentantenhauses und des Senats enthalten. 1836 gab Jackson die Debates and Proceedings in the Congress of the United States in Auftrag, deren Vollendung zwanzig Jahre dauerte. Zur Erstellung dieses offiziellen Berichts wurden Protokollbücher, Zeitungsartikel und Augenzeugen herangezogen, eben alles, was sie nur finden konnten. Es handelte sich meistens um Informationen aus zweiter Hand, aber daraus wurden die Annals of Congress , und das ist heute der offizielle Kongressbericht.«
Sie erklärte, dass in den Annals nirgendwo vier Kaperbriefe erwähnt waren, die für einen Hale, Bolton, Cogburn oder Surcouf ausgestellt worden seien. Tatsächlich fehlten in den offiziellen Protokollbüchern des Repräsentantenhauses und des Senats für die Kongresssitzungen von 1793 zwei Seiten.
»Jackson hat diese Seiten herausgerissen und versteckt«, berichtete sie. »Sie wurden durch Jeffersons Code geschützt, und der hat sich als zuverlässig erwiesen und das Versteck bewahrt.« Sie machte eine kleine Kunstpause. »Bis vor wenigen Stunden.«
Er erblickte sein Hotel weiter hinten am Broadway.
»Wir haben vor einigen Monaten einen Experten engagiert«, berichtete sie. »Einen ungewöhnlich intelligenten Mann, der meinte, den Code knacken zu können. Das Commonwealth hat das schon früher versucht, aber keiner seiner Auftragnehmer hat Erfolg gehabt. Unser Mann befindet sich im Süden von Maryland. Er ist in einige Computerprogramme eingeweiht, die wir im Nahen Osten zur Entschlüsselung verwenden. Mit denen ist er anscheinend zum Ziel gekommen. Ich möchte von Ihnen, dass Sie hinfahren und den Schlüssel abholen.«
»Kann er den denn nicht per E-Mail oder per Boten schicken?«
Sie schüttelte den Kopf. »Damit sind zu viele Sicherheitsrisiken verbunden. Außerdem gibt es eine Komplikation.«
Er begriff, worauf sie hinauswollte. »Andere wissen ebenfalls darüber Bescheid?«
»Leider ja. Zwei von ihnen haben Sie gerade krankenhausreif geschossen, aber das Weiße Haus ist ebenfalls informiert.«
»Und woher wissen Sie das?«
»Ich habe es eingeweiht.«
23
Air Force One
Malone erwartete eine
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