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Die Washington-Akte

Die Washington-Akte

Titel: Die Washington-Akte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Berry
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Gefängnis, das früher einmal als Stall für die Pferde des Landsitzes gedient hatte. Stephanie Nelle saß im Obergeschoss fest, der Verräter im Erdgeschoss. Hale hatte eigens angeordnet, dass die Gefangenen einander nicht sehen und vor allem keine Gelegenheit erhalten sollten, miteinander zu sprechen. Anfangs hatte er seinem Drang herzukommen nicht nachgeben wollen, aber es interessierte ihn, was dieser Mann zu sagen hatte.
    Der Angeklagte saß auf einem Feldbett und blieb sitzen, als Hale auftauchte. Dieser entschied sich dafür, vor der Zelle stehen zu bleiben und mit dem Gefangenen durch die Gitterstäbe zu reden. Er hatte befohlen, dass die Tür nach oben geschlossen wurde und im ersten Stock ein Radio lief, damit keine Gesprächsfetzen durchdringen konnten.
    »Was wollen Sie?«, fragte er ruhig.
    »Es gibt Dinge, die Sie wissen müssen.«
    Die Worte wirkten vollkommen furchtlos. Dieser Mann schien seinem Schicksal mutig entgegenzublicken. Das gefiel Hale. Seine Crew war hart im Nehmen. Er hatte immer über die Vorstellung von Matrosen gelacht, die angeblich zwangsweise auf ein Piratenschiff verfrachtet und gegen ihren energischen Widerstand zum Dienst verpflichtet wurden. In Wirklichkeit musste ein Kapitän nur verbreiten, dass sein Schiff »auf Geschäftsreise« ging, und in allen Schenken, Bordellen und Gassen brach wilde Vorfreude aus. Wenn dieser Kapitän auf früheren Fahrten erfolgreich gewesen war, waren ehemalige Crewmitglieder normalerweise die Ersten, die sich einschrieben. Andere, die am Erfolg teilhaben wollten, kamen als Nächste. Piraten machten ordentlich Geld, und die Männer der damaligen Zeit wollten aus ihrer riskanten Investition so viel wie möglich herausschlagen. Keiner von ihnen wollte sterben. Alle wollten in den Hafen zurückkehren und ihren Anteil an der Beute erhalten. Doch ein Kapitän musste bei der Wahl seiner Leute vorsichtig sein – wenn man sich einmal auf die Artikel geeinigt hatte und das Schiff losgesegelt war, konnte er von der Crew abgesetzt werden. Das war heute natürlich nicht mehr der Fall. Heute war die Kapitänswürde erblich. Aber es blieben noch immer Risiken, und dafür war dieser Mann das perfekte Beispiel.
    »Ich bin hier. Reden Sie mit mir.«
    »Ich habe der NIA von dem Mord auf der Adventure berichtet. Das gebe ich zu. Man hat mir Geld geboten, und ich habe es genommen.«
    Das wusste Hale bereits, aber eines interessierte ihn: »Sind Sie stolz auf das, was Sie getan haben?«
    »Mir ist klar, dass diese ganze Crewtradition Ihnen wichtig ist. Einer für alle, alle für einen und so. Aber sehen wir den Tatsachen doch ins Gesicht: Sie bekommen den Kuchen, und wir bekommen die Krümel.«
    »Diese Krümel sind viel mehr, als sonst irgendjemand Ihnen geben würde.«
    »Das stimmt. Aber ich habe nie so recht an diese Sache geglaubt.«
    Für Neueinstellungen war immer der Quartermeister verantwortlich gewesen. Normalerweise hatte er auf erprobte Familien zurückgegriffen, die schon länger für das Commonwealth arbeiteten. Genau wie früher waren moderne Crews im Allgemeinen recht ungebildet und kamen aus bescheidenen Verhältnissen. Aber dennoch …
    »Ist Ihr Wort denn gar nichts wert?«, fragte Hale. »Sie haben die Artikel unterschrieben und einen Eid abgelegt. Bedeutet das denn nichts?«
    Der Mann zuckte mit den Schultern. »Ich habe es für das Geld getan. Außerdem hat Knox mir einmal aus der Klemme geholfen. Das habe ich ihm hoch angerechnet. Ich kann gut mit Metall umgehen. Als er mir daher einen Job angeboten hat, habe ich ihn angenommen.«
    »Offensichtlich haben Sie es ihm nicht hoch genug angerechnet, um Ihr Wort zu halten und loyal zu bleiben.«
    »Den Mann auf dem Boot haben Sie getötet. Er hat nur für Sie eine Bedrohung dargestellt. Nicht für mich oder irgendeinen der anderen. Ich habe Sie betrogen, aber nicht meine Kameraden.«
    »Ist es das, was Sie mir mitteilen wollten?«
    Er bemerkte den harten, angeekelten Ausdruck im Gesicht des Mannes. »Ich wollte Ihnen sagen, dass ich nicht das Geringste über irgendeinen Attentatsversuch wusste. Das erste Mal habe ich im Fernsehen davon gehört, als alles schon geschehen war. Ja, ich habe in der Metallwerkstatt an dem Gewehr gearbeitet und es erkannt, als ich es in den Nachrichten gesehen habe. Aber keiner hat uns gesagt, wann oder wo es eingesetzt werden würde. Ich hatte keine Ahnung und auch bei der NIA kein Wort darüber verloren.«
    »Sie sind ein Lügner und Verräter. Ich kann Ihnen nicht

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