Die Washington-Akte
Familienbuchhalters fiel sicherlich in diese Kategorie. Es war nicht anders als damals, als die Kapitäne ihr eigenes Schiff befehligt hatten und die Meinung anderer Kapitäne nur von Bedeutung gewesen war, wenn mehrere Schiffe sich zusammentaten.
Knox machte ihn auf sich aufmerksam und gab das Zeichen, dass alles bereit war.
Hale trat vor und rief den in der Morgensonne Versammelten zu: »Wir haben alle den Artikeln Treue gelobt. Sie, ehrenwerte Crewmitglieder, führen ein gutes Leben und werden einträglich bezahlt. Unsere Gesellschaft funktioniert, weil wir zusammenhalten.« Er zeigte auf den Mann, der an den Pfosten gefesselt war. »Er hat allem, was uns teuer ist, ins Gesicht gespuckt, und jeden einzelnen von Ihnen in Gefahr gebracht.«
In die Männer kam Bewegung.
»Verräter verdienen, was sie bekommen«, rief Hale.
Wütende Rufe machten klar, dass alle ihm zustimmten. Ein Schauder lief ihm über den Rücken. Was für ein Gefühl, in so einer Situation die Verantwortung zu tragen. Es fehlten nur noch der Salzgeruch und das Schwanken eines Schiffsdecks.
»Werden Sie Zeugen der Bestrafung«, schrie er.
Knox stand bei dem gefesselten und geknebelten Mann, und Hale beobachtete, wie der Quartermeister zwei weiteren Crewmitgliedern Anweisungen erteilte. Die gewählte Bestrafung war besonders hart, wenn auch einfach auszuführen. Zwei Bretter waren an beiden Enden durch etwa einen Meter lange Lederbänder verbunden. Der Kopf des Gefangenen wurde zwischen die beiden Bänder gesteckt, und Männer, die links und rechts standen, ergriffen die Bretter mit beiden Händen.
Hale hoffte, dass Stephanie Nelle zuschaute. Er hatte sie von einer fensterlosen Zelle in eine bringen lassen, von der aus sie den Vorplatz überblicken konnte. Er wollte sie wissen lassen, wozu er fähig war. Noch hatte er von Andrea Carbonell nichts über den Codeschlüssel gehört, und so blieb Nelles Schicksal offen.
Die beiden Crewmitglieder versetzten die Bretter in Rotation und verdrehten dadurch die Lederbänder so, dass sie den Schädel des Mannes umspannten. Der Gefangene zappelte mit dem Kopf, um ihre Bemühungen zu durchkreuzen, aber der Versuch erwies sich als nutzlos.
Knox warf Hale einen letzten Blick zu.
Hale sah auf die anderen drei Kapitäne, und diese nickten.
Hale erwiderte Knox’ Blick und nickte ebenfalls.
Knox erteilte den Befehl zum Fortfahren, und die Männer drehten die Bretter weiter. Ein paar Runden lang strafften sich die Bänder immer stärker, aber der Schädel hielt noch stand. Bei der sechsten Umdrehung baute sich starker Druck auf. Der Gefangene warf sich gegen seine Fesseln. Wäre er nicht geknebelt gewesen, hätte der Mann jetzt gewiss vor Qual gebrüllt.
Die Bretter wurden weitergedreht.
Die Pupillen weiteten sich, und die Augäpfel quollen unnatürlich vor. Hale wusste, was geschah. Der Druck im Inneren des zusammengepressten Schädels drängte sie buchstäblich nach draußen.
Auch die anderen drei Kapitäne bemerkten es.
Hale wusste, dass diese Männer nicht daran gewöhnt waren, Gewalt mit eigenen Augen zu sehen. Den Befehl dazu mochten sie ohne Reue erteilen. Doch sie mit eigenen Augen zu bezeugen war wohl etwas anderes.
Weiteres Drehen.
Das Gesicht des Mannes lief unter dem Druck rot an.
Ein Augapfel platzte in der Höhle.
Blut strömte aus dem klaffenden Loch.
Noch immer wurden die Bänder gestrafft, jetzt allerdings langsamer, da kaum mehr Spielraum übrig war.
Hales Vater hatte Hale vom Woodling berichtet. Dass die letzten paar Sekunden die schlimmsten seien. Wenn die Augen einmal geplatzt waren, zerbrach als Nächstes der Schädel. Die Opfer hatten allerdings das Pech, dass der Schädel hart war. Das war der einzige Nachteil dieser besonderen Form der Bestrafung – oft tötete sie das Opfer nicht.
Der andere Augapfel zerplatzte, und wieder lief Blut übers Gesicht.
Hale ging zur Mitte des Vorplatzes.
Der Gefangene bewegte sich nicht mehr, sein Körper hing schlaff am Pfosten, und sein Kopf wurde nur noch von den Bändern gehalten.
Knox befahl, mit dem Drehen aufzuhören.
Sie sollten wissen, dass es in Ihrem großartigen Commonwealth zwei Verräter gibt, und einer von ihnen ist noch unentdeckt.
Warum erzählen Sie mir das?
Ich hoffe, dass Sie wenigstens gnädig mit mir verfahren werden, wenn meine Zeit zu sterben gekommen ist.
Er hatte über kaum etwas anderes nachgedacht, seit der Mann vor weniger als einer Stunde diese Worte geäußert hatte.
Dass es in Ihrem großartigen
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