Die Washington-Akte
mit der NIA zu verhandeln. Diese Männer würden von den Wogen, die über ihrem Deck zusammenschlagen würden, weggerissen werden. Zu viel Streit, zu viel Egoismus und zu wenig Kooperation.
»Eines Tages, Quentin«, knurrte Bolton.
»Was hat du vor? Einen Anschlag auf mich?«
»Nur zu gern.«
»Du wirst feststellen, dass es viel schwieriger ist, mich zu töten als irgendeinen Präsidenten.«
Wyatt traf in Monticello ein. Er war die hundertzwanzig Meilen von Washington in weniger als zwei Stunden gefahren und hatte sein Auto auf einem baumbestandenen Parkplatz abgestellt, der neben einem ansprechenden Komplex niedriger Gebäude lag. Diese trugen die Namen Thomas-Jefferson-Besucherzentrum und Smith-Museumsschule. Die Dachsilhouetten griffen den Umriss der benachbarten Hügel auf, und die Holzwände passten sich natürlich in den Wald der Umgebung ein und boten einem Café, einem Andenkenladen, einem Vortragsraum, Kursräumen und einem Ausstellungssaal Platz.
Carbonell hatte recht gehabt. Er durfte Malones Erfolg nicht zulassen. Er hatte seinen Gegner in die Sache hineingezogen, um ihn in Gefahr zu bringen und vielleicht sogar sterben zu sehen, aber nicht, um ihm eine weitere Gelegenheit zu bieten, den Tag zu retten.
Und noch in einer anderen Hinsicht hatte Carbonell recht gehabt: Er brauchte sie. Zumindest vorläufig.
Sie hatte ihm einige nützliche Informationen über Monticello verschafft, so zum Beispiel über die Räumlichkeiten und das Alarmsystem, und sie hatte ihm Straßenkarten für die Zufahrtswege gegeben. Er stieg von seinem Auto aus eine Treppe zu einem von Robinien beschatteten Hof hinauf. Er kam zur Kasse und kaufte ein Ticket für die erste Führung des Tages, die in weniger als zwanzig Minuten gleich nach der Öffnung des Museums um neun Uhr beginnen würde.
Er ging herum, las die Infotafeln und erfuhr, dass Jefferson den Landsitz – den er Monticello, Italienisch für »kleiner Berg« nannte – über vierzig Jahre gestaltet und so das geschaffen hatte, was er schließlich seinen »architektonischen Essay« genannt hatte.
Es war ein landwirtschaftlich genutztes Gut gewesen. Hier waren Rinder, Schweine und Schafe gehalten worden. In einer Sägemühle wurde Bauholz geschnitten. Zwei weitere Mühlen mahlten Mais und Weizen. In einer Böttcherei waren Behälter für Mehl hergestellt worden. In den Wäldern der Umgebung wurde Feuerholz geschlagen und verkauft. Jefferson hatte Tabak für den Verkauf an die Schotten angebaut, dann war er zu Roggen, Klee, Kartoffeln und Erbsen übergegangen. Irgendwann konnte er zehn Meilen in jede Richtung reiten, ohne sein Land zu verlassen.
Wyatt beneidete ihn um diese Unabhängigkeit.
Aber in der Ausstellungshalle erfuhr er, dass Jefferson bei seinem Tod bankrott gewesen war. Er hatte Tausende von Dollar Schulden gehabt, und seine Erben hatten alles einschließlich seiner Sklaven verkauft, um seine Gläubiger zufriedenzustellen. Das Haus befand sich in der Hand wechselnder Besitzer, bis es 1923 von einer Stiftung zurückgekauft wurde, die viel dafür tat, seine ursprüngliche Pracht wiederherzustellen.
Er ging von einer Informationstafel zur anderen und erfuhr mehr. Das Erdgeschoss des Hauses bestand aus zwölf Räumen, die alle bei der Führung besichtigt wurden. Die sorgfältige Ausnutzung des Raums und des natürlichen Lichts – die Räume gingen, einst von Glastüren unterteilt, ineinander über – sollte ein Gefühl von Freiheit und Offenheit vermitteln: Es gab nichts Verborgenes, keine Geheimnisse. Der erste und zweite Stock waren nicht für Besucher zugänglich, die Kellerräume hingegen für die Öffentlichkeit begehbar.
Er betrachtete einen Grundriss.
Befriedigt trat er in den schönen Spätsommermorgen hinaus und beschloss, dass diese Aufgabe nur auf eine einzige Weise zu erledigen war: in einer schnellen Aktion.
Er ging zu der Stelle, von wo ein Shuttlebus ihn und die erste Gruppe beinahe dreihundert Meter den Berg hinauffahren würde. Viele der etwa fünfzig Gruppenmitglieder waren Teenager. Eine lebensgroße Bronzestatue von Thomas Jefferson stand neben ihnen am Straßenrand. Er war ein hochgewachsener Mann gewesen, wie Wyatt feststellte, über eins achtzig groß. Er betrachtete das Denkmal zusammen mit einigen der Jugendlichen.
»Das wird bestimmt cool«, sagte einer von ihnen.
Ganz Wyatts Meinung.
Er würde ein bisschen Spaß haben.
Wie in den alten Tagen.
Malone und Cassiopeia bogen zum Monticello-Besucherzentrum ein. Edwin Davis
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