Die Wasser des Mars
doch wissen sie, daß sie es immer wieder versuchen werden, bis wenigstens eines ihrer Landefahrzeuge sendefähig auf dem Boden des unheimlichen Sterns steht. Daß es dabei manövrierfähig bleiben könnte, wagen sie nicht zu hoffen.
Herb beobachtet Ruuth, die bewegungslos in ihrem Sessel liegt. Sie ist diejenige unter ihnen, die im Augenblick der Bruchlandung am engsten mit der Fähre gekoppelt war. Sie hat mit Sicherheit die höchste psychische Belastung und den stärksten Energieverschleiß aushalten müssen. Müde und erschöpft sieht sie aus und läßt Kopf und Schultern hängen.
Und doch fühlt sie, daß er sie anblickt. Langsam richtet sie sich auf und hebt die schweren Lider. In ihren Augen ist eine Frage, und Herb läßt ihr Zeit, sie zu formulieren. Man sieht ihr an, daß ihr das Sprechen noch schwerfällt.
»Was war das, daß die Fähre in ihren letzten Sekunden…?« Sie stockt, überlegt lange, und schließlich stellt sie ihre Frage erneut, präziser diesmal: »Warum ist die Fähre nicht so hart aufgeschlagen, daß sie sofort zertrümmert wurde? Ich weiß genau, daß ich völlig die Kontrolle verloren hatte, und trotzdem hat sie den Boden in funktionsfähigem Zustand erreicht.«
Matoul schüttelt den Kopf. »Sie war nicht mehr funktionsfähig. Rede dir nichts ein, Ruuth!«
Herb ist erstaunt über Matouls kategorische Ablehnung. Dabei muß doch auch Matoul genau gesehen haben, was dort unten vor sich ging. »Sie redet sich nichts ein«, brummte er. »Und du weißt es ganz genau, Matoul. Die Fähre hat den Boden zu einem Zeitpunkt erreicht, zu dem ihre Elektronik noch funktionierte. Sie drehte sich langsam, als wollte sie uns noch einen letzten Eindruck des Landeplatzes vermitteln. Warum streitest du es ab? Nur weil du dafür keine Erklärung hast?«
Man sieht Matoul an, daß er wirklich keine Erklärung für dieses Phänomen finden kann. Eine steile Falte steht zwischen seinen Brauen. »Vielleicht war außerhalb des Sichtbereiches unserer Objektive eine Erhebung«, entgegnet er. »Und vielleicht hat der Windschatten hinter dieser Erhebung…« Er bricht ab, weil er wohl fühlt, daß es noch keine Erklärung geben kann, daß seine Worte ohne Überzeugungskraft sind. Er glaubt wohl selbst nicht an das, was er sagt. Möglicherweise machen ihn aber auch Herbs spöttisch herabgezogene Mundwinkel unsicher.
Ruuth winkt enttäuscht ab. »Also auch keine Erklärung, geschweige denn eine Theorie. Vielleicht wird es Zeit, sich damit abzufinden, daß der Unheimliche uns ein Rätsel nach dem anderen aufgibt, ohne daß wir einige davon lösen können.«
Matoul springt auf. Aber er hat wohl nicht einmal mehr die Kraft, zornig zu werden. So setzt er sich wieder. »Ich werde mir keine Theorie über unbewiesene Beobachtungen aus den Fingern saugen«, erklärt er.
»Das verlangt niemand«, sagt Ruuth. »Aber wenn wir für nichts eine Erklärung finden, dann werden wir irgendwann nicht einmal mehr an uns selbst glauben.«
Erregt blickt Matoul sie an. »Das ist nicht wahr, Ruuth. Das solltest du nicht sagen.« Seine Stimme klingt beschwörend. »Wir sind in einer anderen Welt mit anderen physikalischen Gesetzen. Das alles ist nicht befremdend, sondern nur fremd. Wir werden die Geheimnisse lüften, morgen oder übermorgen, vielleicht auch erst in einem Monat…«
»… oder in einem Jahr oder in zehn Jahren!« flüstert Luisa.
Matoul ruckt herum. Seine Blicke bohren sich in ihre Augen, als suche er in ihnen nach Verborgenem. Aber er schweigt. Schließlich erklärt er: »Ich weiß nicht, was es war, das unser Fahrzeug aufgefangen und gedreht hat, aber ich weiß, daß wir nicht aufgeben dürfen, bis wir es herausgefunden haben. Nur wenn wir konsequent unseren Weg weitergehen, werden wir auch Erfolge haben.«
Herb blickt zu Boden. Die Worte scheinen ihm groß und leer. Wieder einmal beschäftigt ihn die Frage nach dem Sinn ihrer Arbeit, weit entfernt von denen, die ihre Ergebnisse nutzen könnten, und bisher ohne die geringste Chance, jemals zurückzukehren zu denen, die ihnen den Auftrag gaben. Diesmal stellt er die Frage. »Wie groß ist die Chance, die Gravitation dieses Sterns zu verlassen, Matoul?«
»Soll ich Prozentzahlen nennen, Herb?« antwortet Matoul abweisend. Sein Gesicht ist verkniffen. Ihm gefällt diese Frage nicht, weil sie in der augenblicklichen Situation an die Grundfesten ihres Seins rührt.
Aber Herb geht nicht auf seinen Ton ein. »Wenn du es kannst, bitte«, sagt er.
»Ich kann es nicht,
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