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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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mir einmal, du dicker Bursche, warum bringst du deine Freunde nie zu uns?! Wir haben nämlich, meine Herren“ (Clayton wandte sich zu Fritz und Heribert) „einen großen Garten und einen Tennis-Platz. Wie wär’s?! Spielen Sie Tennis?! Ja?! Wir könnten da ein großes Meeting veranstalten, was, Donald? Du machst uns den Schiedsrichter?! Wenn es warm und trocken sein wird, lasse ich den Platz gleich herrichten. Also, wir sehen Sie bald bei uns, meine Herren, und Ihren Kameraden, der jetzt nicht da ist, den bringen Sie doch auch mit!“ Hofmock und Wasmut verbeugten sich leicht und nicht unelegant und dankten für die Einladung. Die Claytons verabschiedeten sich, Augustus blieb bei seinen Freunden. Robert rief ihm noch, sich umwendend, zu: „Komm bald, wir lunchen heute etwas früher, in einer halben Stunde!“
    „Das ist mein Onkel und sein Sohn, also eigentlich mein Cousin“, sagte das Dickerl. „Die Claytons, bei denen ich wohne. Die Fabrik dort vorn gehört ihnen.“
    Die Sache befriedigte Heribert und Fritz schon in hohem Maße. Man müßte sagen: sie befriedigte die jungen Herren stilistisch. Sie wirkte stärkend auf den von ihnen angestrebten Lebens-Stil. Zu sagen ist auch, daß jenes Geheimnis, das bisher die ,Engländer‘ für jeden von ihnen allein bedeutet hatten, nun, da sie die beiden kennen gelernt, für jeden von ihnen für immer verschüttet blieb. Das gilt auch für Zdenko; ja, er war darin voraus, denn er hatte ja diesen Punkt, wie wir wissen, schon vordem im ,Café Zartl‘ erreicht. Wäre Zdenko eben jetzt zur Stelle gewesen, als man durch Augustus mit den beiden ,Engländern‘ eine so plötzliche wie tief überraschende Verbindung gewann: er hätte vielleicht bemerkt, daß Robert Clayton die Ansprache „meine Herren“ ganz ohne jenen leicht ironischen Unterton gebrauchte, den der junge Herr von Chlamtatsch kürzlich in der Schwaibengasse hatte heraus hören können.
    Jedoch, für ihn war alles das schon gleichgültig. Seit er an jenem Sonntag, der auf seinen Besuch bei Frehlinger folgte, nach Mittagessen und schwarzem Kaffee am Tische seiner Eltern – hier noch war er geborgen, von sich selbst getrennt im Geplauder gewesen, ein Fesselballon noch, ein Küstenfahrer, aber das offene Meer wartete – seit er an jenem Nachmittage sich noch einmal sorgfältig soigniert hatte, um dann seine Columbus-Reise nach Hietzing anzutreten, in einer Leere sich bewegend, welche die Umwelt an den Rand drängte und doch schärfet sichtbar werden ließ (durch die Distanz, die jede exzeptionelle Lage ihrem Träger verleiht, aber das wußte er freilich nicht): seit damals war es, daß alles in Lähmung und Dämpfung lag, in völliger Entzauberung und aus seiner einst erlebten Aura gefallen, alles was es da gegeben hatte vor dem Durchschreiten der vier oder fünf großen Zimmer in der Schwaibengasse, mit Dr. Frehlinger und Heinrich, und vorbei an dem Bilde der Eisenbahnbrücke über den Firth of Forth. Er fuhr mit der Stadtbahn nach Hietzing, und diese fuhr damals noch mit Dampflokomotiven, und in dem braunen Waggon war’s geheizt, und er saß allein in einem Abteil II. Classe. In den langen Tunnels trat das Gaslicht an der Decke hervor aus der rasch wie ein finsterer Würfel fallenden Dunkelheit. Es war jedesmal als würde der Zug in eine Schachtel voll Rauch gesteckt.
    Und in der Auhofgasse. Dinge wie Straßen und Hausnummern führen uns ja wie ein Maschinen-Gestänge. Plötzlich wird alles ganz streng. Es gibt da keine Freiheiten mehr.
    Vom Absatz der nicht breiten Treppe links. Eine in mattem, elegantem Olivgrün in den Flur schimmernde Tür. Als er die letzte Stufe verlassen hatte, angelte sie lautlos halb auf und ließ nur Dunkel dahinter sehen.
    Zdenko war hinein gegangen, es klappte leicht hinter ihm und er sah jetzt fast überhaupt nichts. Im nächsten Augenblicke ward er an der Hand weitergezogen in ein helles Zimmer. Sie umarmte ihn sogleich und küßte seinen Mund. Was dann kam, wurde viele Jahre später von ihm eigentlich immer noch bezweifelt, aber es war doch unleugbar so gewesen. Wieder an der Hand genommen, durch Zimmer geführt. Ein sehr duftiger Raum zuletzt. Immer wieder sah er dann Henriette dort auf der Causeuse sitzen, eine schwere grundbrechende Explosion: im Hemd und im großen Mieder. Sie erhob sich und begann es zu lösen. Er rutschte auf den bloßen Knien zu ihr hin. Sie fuhr ihm durch das Haar und erteilte ihm nur einen Wink mit der Hand: nach rückwärts, sich niederzulegen.

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