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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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Robert’s vor ihr, ja, sie selbst gleichsam tief in diesem Bilde drinnen, und damit allem entschritten, wovon sie während der letzten Wochen schon ganz bedrückt und niedergehalten worden war. Nun schien es überstiegen, und aufgeklärt als ein belangloser Irrtum, der sie so lange festgehalten hatte. Es war wie das Erwachen aus einem zäh-verschränkten Traum ohne Ausweg. Dennoch, jetzt und hier und so erwacht, blieb Chwostik ihr Halt, von dem sie nicht sich hatte trennen wollen.
    Er war eilfertig indessen in der Küche – während Monica in jenem rückwärtigen Zimmer saß, wo der alte kleine Damenschreibtisch mit den immer noch wie neuen Möbeln von Portois & Fix nachbarte – und in zehn Minuten war das improvisierte Abendessen auf dem Tisch, Sardinen, Weißbrot und Butter, was halt ein alter Junggeselle so daheim hat, und eine Flasche Bordeaux war geöffnet.
    In Chwostik lag die ganze Lage inmitten ihrer Einzelheiten wie ein ruhender glänzender Gegenstand, wie der kleine elegante silberne Korb mit den Süßigkeiten hier am Tische (ein Geschenk Milo’s, und die Wenidoppler hielt das stets blank). Hier war ein neues Licht aufgesteckt worden, ein ihm bisher nicht bekannter starker Beleuchtungskörper strahlte in seiner kleinen Wohnung, ja, es war ein paradoxaler Sonnenaufgang nach Sonnenuntergang. Das alles aber erlebte er ohne jeden bedauerlichen und bedauernden ironischen Seitenblick auf sich selbst, und das bedeutet schon etwas ganz Außergewöhnliches bei so einer österreichischen Runzel.
    So also kam das Ganze über ihn, und so ward es von ihm empfangen. Monica ihrerseits befand sich Chwostik, und jetzt auch dieser Umgebung gegenüber, von Anfang an in Zutraulichkeit. Das spricht für die Blüte ihrer Instinkte. Denn sie wurde hier als ein herabgelangter Stern mit Ehrfurcht und mit Erstaunen gesehen, und unser Pēpi kreiste um diesen wie ein nur blaß sichtbarer, fast dunkler Trabant. Und er bediente sie charmant, während sie mit gutem Appetite aß. Einmal, ihm das halbe Profil zuwendend, erinnerte sie Chwostik durch Augenblicke an irgendwen, den er einst gekannt, vor sehr langer Zeit, aber es lag zu weit ab und er vermochte nicht, es herbeizuziehen. Sie schien ihm jetzt etwas Französisches an sich zu haben (oder was er darunter sich vorstellte). Vielleicht aus der Schweiz, wo sie erzogen war. Monica hatte das erzählt. Im ganzen: er genoß diese Gegenwart, er war ihr Zeuge, und sein eigener obendrein. In diesem Alter ist man vor den Perlen, die das Leben uns zurollt, keine von den biblischen Säuen mehr. Nein, man sieht sie ganz deutlich rollen, wie der Billardspieler den glänzenden Ball auf dem grünen Tuche, grün wie eine Wiese, mitten in der mäßigen Luft eines alltäglichen Stammcafes.
    Wir kennen Chwostik’s sehr bescheidene Gewohnheiten auf der uns abgekehrten Lebens-Seite, wir haben uns diese ja einmal her gedreht. War ihm jetzt sozusagen ein Stern vom Himmel auf die Knie gefallen – und das passiert verhältnismäßig selten, manchen nie – so empfand auch sie mit Zutrauen und Getröstet-Sein das Ausnahmenhafte dieser schwimmenden Insel hier auf dem Strome der Zeit, eine Insel, die zu nichts verpflichtete, wo man mit keinem dicken Kopf voll Fragen in die Zukunft vorausfiel, vielmehr ganz in der Gegenwart verblieb und in ihrer paradiesischen Unschuld, wie auf einem jener glücklichen Eilande der Südsee. Und war sie nicht wie aus einem Schiffbruche, gerettet zwischen einem alten und einem neu zu beginnenden Leben verweilend, und für die unschuldige Gegenwart entbunden von beiden? Denn die reine Gegenwart mit ihrer holden Oberfläche, ohne Sorge, ohne Rückblick, ist auch ohne Schuld und Drohung, und wo wir zu ihr uns erfähigen, sind wir wahrlich in unser einstmaliges Kinderzimmer heimgekehrt. Als sie in Chwostik’s Schlafkabinett den weißen, einbeinigen Schwenktisch sah, lachte sie, und sagte: „Solche hat mein Papa in der Ordination. Wirklich netter wie ein Nachtkastl.“ Aber Chwostik antwortete nichts darauf (obwohl er’s ja immerhin hätte können). Er umfing seinen Stern, der jetzt weißleuchtend geworden war.
    U nd es verblieb unser Old Pēpi in Ehrfurcht vor der einmal bei ihm eingetretenen schlanken Göttin, deren Wiederkommen von ihm für durchaus unmöglich gehalten wurde und auch nie geschehen ist. Wo immer er ihr später – und garnicht selten – begegnete, blieb sie für ihn eine Bringerin des Guten; und er beugte sich mit altmodischer Courtoisie über ihre

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