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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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fertig, in seine Wohnung bringen, es sei für ihre Größe gemacht. Und von einem Schuhgeschäft kämen sie auch mit diversen Stieferln für ihre winzige Schuhnummer (sie war garnicht so klein), er habe es beim Chef des Geschäftes erreicht, daß Samstags am Nachmittag jemand komme, die älteste Verkäuferin (,gute Trinkgelder‘). Eines von den Paaren würde sicher passen. Sie hatten eigens bestellt werden müssen. Wegen ihrer kleinen Füße. Diese Nummern seien nicht immer lagernd...
    So ging’s dahin, flüsternd, streichelnd und ihr schmeichelnd. Und warum eigentlich sollte sie ihm den Gefallen nicht tun? Er war ein reizender Liebhaber, der Tibor. Und ein Liebhaber mit offener Hand.
    Samstag, am späteren Nachmittag, würde sie schon kommen können, auf eine Stunde, zum Probieren. Samstag und Sonntag sei der Janos da, weil der heute Ausgang habe. Immer mit der Köchin zugleich. „Er geht ja mit ihr.“
    „Und am Sonntag, bei mir in der Dörbentei-utca, wirst du prachtvoll sein in deinem Kostüm!“ rief Gergelffi und hob das Glas mit dem roten Ofener. „Es lebe deine Schönheit!“
    „Und was werden wir machen, wenn ich das Kostüm trage? Csardas tanzen? Hast du für dich auch Stiefel daheim?“
    „Csardas tanzen – du kannst es so nennen. Aber ich brauche dazu keine Stiefel.“
    Sie lachten und tranken. Der Wirtsgarten lag fast leer. Nur ein einzelner Mann war gekommen und hatte sich weit ab von ihnen niedergelassen, mit dem Rücken gegen unser Paar. Die Abendsonne legte sich durch den Garten und an die verwitterte Wand des Hauses.
    A n diesem Nachmittage wartete Illek, der Aufseher im Museum, vergeblich. Wenn sie kam, dann geschah es eine Stunde etwa vor Schließung der Sammlungen; um diese Zeit hatte sich der Custos und Museumsdirektor, ein älterer Herr, der auch an der Universität über Archäologie las, immer schon wegbegeben. Ob sie kommen würde, blieb stets ungewiß. Ein Stelldichein gab es nicht, weder hier noch sonstwo. Er wußte nicht ihren Namen, nicht ihre Adresse. Sie ließ sich von ihm Mimi nennen. Mit alledem war gesetzt, daß sie jederzeit ganz ausbleiben, daß jedes Hiersein ihr letztes sein konnte.
    So also lebte Illek. Im Grunde hatte er immer so gelebt, nämlich nie was besessen. Aufgewachsen im Waisenhause. Das Seilerhandwerk erlernt. Beim Militär dann geblieben, als längerdienender Unteroffizier. Auf diesem Wege ,Certificatist‘ geworden, wie man es drüben in Österreich, und beim Heer überhaupt, nannte: Anspruch auf zivile Versorgung. Prüfung für die mittlere Laufbahn bestanden. Zunächst Museumsdiener geworden. Und immer noch ein junger Mann, lang keine fünfunddreißig.
    Einmal hatte er etwas Großes erlebt, obwohl er nicht eigentlich hätte sagen können, was daran groß gewesen sei und worin hier die Größe bestand. An einer Truppenübung in der Gegend von Kaposvár hatten mehrere Bataillone Honved-Infanterie teilgenommen und auch einige Schwadronen von den roten Husaren der Honved, sonst alles vom Heer, ein Dragoner-Regiment, und selbstverständlich die ganze Artillerie, denn eine solche gab es weder bei der ungarischen noch bei der österreichi-schen Landwehr. Jenes Dragoner-Regiment hatte zu einer Attacke angesetzt, die ihm befohlen war, und ging bei dieser Attacke fast restlos zugrunde: so erklärten nämlich die Schiedsrichter angesichts einer ganz eindeutigen Lage. Der Befehl zur Attacke, welchen das Regiment erhalten hatte, war also ein verkehrter gewesen, und der ihn gegeben, mußte nicht lange danach in Pension gehen.
    So erfuhr man damals hintennach. Als das Regiment, das da zugrunde gehen sollte (es war das siebente), in der Ferne erschien, im Aufmarsche bald ganz breit werdend, weil ja Schwadron nach Schwadron in die Front kam, lag der Feldwebel Illek am Bauch in einer der flankierenden Schützenketten der Bataillone, welche hier die Reiter erwarteten, ohne noch einen Schuss abzugeben, bis sie die Cavallerie gehörig im Kreuzfeuer haben würden. Dann erst schrillten die Trillerpfeifen, auch die Illek’s, setzten die Maschinengewehre und das Schnellfeuer ein.
    Was Illek groß erschien, geschah schon vorher. Der Tag war trüb, warm, mit finsterem tiefhängendem Gewölke. Der sehr trockene und staubige Boden ließ bei den Bewegungen der rund zweitausend Reiter ein ebensolches Gewölk in dichten Schwaden hoch emporsteigen, und sogleich, als nach vollzogenem Aufmarsche das Trabsignal erklang und bald danach Galopp geblasen ward, schien der Boden, wie das Fell

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