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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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er schon das Bild von Correggio, gefiel ihm gut), und konnte getrost seine Morgenspaziergänge machen. Sie wurden allmählich kürzer, denn es wurde ja immer später hell. Die Wiesen lagen unter leichten feinen Batistkissen, die jedoch vor der Sonne schnell und fast diskret verschwanden. Die Sonne erzeugte jetzt Zustände im Prater, die man herbstrauchig aber nicht eigentlich neblig nennen könnte. Manche Bäume ließen eine Art langer Schoten fallen, gewunden wie Schlangenleiber; so lagen sie auf dem feuchten Gras. Und dann war es so weit, daß die ersten Roßkastanien fettglänzend hellbraun aus ihren beim Herabfallen geplatzten Stachelbälgen lugten und auf der Hauptallee immer mehr tabakfarbene fingrige Kastanienblätter den Boden bedeckten. Schon rauschte der Fuß. Es rauschten die Füße der Kinder, die in Reihen gingen und es rauschen ließen. Die ersten Halsketten aus durchbohrten Roßkastanien wurden angefertigt. Dennoch lagen noch immer die bunten Boote am Steg, und sie stießen auch ab, die Ruder glänzten. Es überdecken einander die Jahreszeiten. Manch ein später Sommertag ist herbstlicher als der ganze Herbst zusammengenommen.
    Die Villa der Claytons stand an der sogenannten ,Prinzenallee‘. Schräg gegenüber gab es auf der anderen Seite den ,Bicycle-Club‘. Damals war das Radfahren noch vornehmlich ein Sport, zu welchem man ein eigenes Kostüm trug, sogar die Damen mit ,Pumphosen‘.
    Als das Laub am Boden tiefbraun und bald schwarzfleckig wurde, entzündete man täglich in der Halle das Kaminfeuer.
    Die Villa war in der Tat nach Art der englischen Landhäuser gebaut.
    Jedoch diese vereinzelten herrschaftlichen Häuser am Rande der Auen hatten alle das gleiche Grund-Übel. Sie waren feucht, ja, kellernaß. Eben damals aber, als die Claytons sich hier niederließen, brachte eine Wiener Firma neu konstruierte Trockenöfen auf den Markt: das Plakat, womit dieser neue Artikel dem Publikum zur Kenntnis gebracht wurde, war fürchterlich. Man sah darauf den neuen Ofen in der Finsternis eines Kellers mit glühendem Maule aufgestellt; links und rechts wuchsen Arme aus dem Ofen mit hochgehobenen Fäusten: und vor solchem Ungeheuer flohen voll Entsetzen Schwämme und Modergeister mit von Todesangst verzerrten Gesichtern, während der wilde Glutschein aus des Ofens Maul weithin ihre panische Flucht aufspaltend begleitete. Sie konnten einem leid tun, diese der Vernichtung verfallenen Geschöpfe, diese rennenden Pilzbeinchen, klagenden Schwämme, eilenden Schwaden. Das Plakat mit dem Ofen und seinen drohend geschwungenen Fäusten war jahrelang in Wien zu sehen. Auch der kleine Donald Clayton hat es noch erblickt.
    Solche Öfen also standen in den Kellern der Villa Clayton und wurden sachgemäß bedient. Die Wirkung ließ nichts zu wünschen übrig.
    Harriet Clayton war an der Auffahrt draußen gestanden, die überwölbt lag und dicke Pfeiler hatte. Eine mächtige Laterne mit verzierten schmiede-eisernen Einfassungen schwebte unter dem hallenden Gewölbe und beleuchtete matt und schattenreich die Anfahrt. Vom Prater kam in der sinkenden Dämmerung ein Duft des gefallenen Laubes, der genau an der Grenze zwischen Reife und Fäulnis stand, zwischen noch braunen oder schon schwarzen Blättern. Harriet trat in das Haus zurück und durchquerte die nur schwach von einer einzigen Lampe erhellte Halle, in deren Hintergrund das Kaminfeuer eben zu flackern begann. Sie stieg über eine breite Freitreppe mit schmiedeeisernen Geländern empor – eine Joly-Treppe nannte man das damals – und gelangte in die oben um die Halle laufende Galerie mit den Türen zu den Zimmern. Aus der Nursery hörte sie halblauten Gesang. Harriet trat noch nicht ein, sie blieb in der halbdunklen Galerie stehen. Kate, das Kindermädchen, sang drinnen weiter. Kate war eine Engländerin völlig unbestimmbaren Alters, eine gelernte Pflegerin, die man als Nurse mit herüber genommen hatte. Sie trug einen deutschen Namen – übrigens einen recht seltsamen – ohne jedoch ein einziges Wort dieser Sprache zu verstehen. Sie hieß Kate Thürriegl. Ihr Gesicht war sehr regelmäßig, der Sattel zwischen Nase und Stirn dabei ganz schwach ausgeprägt: solche Physiognomien schwanken zwischen einem hellenischen Profil und einem Schafsgesicht: bald sehen sie so und bald so aus. Das Mädchen sang noch immer, in englischer Sprache, und begleitete ihr Lied sehr geschickt und polyphon auf einer Laute. Dem kleinen Donald schien das gut zu gefallen, man hörte jetzt

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