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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ruhestand erfolgte seine Ernennung zum außerordentlichen Professor mit Lehrauftrag.
    E inem so beschaffenen Manne also trat Chwostik hier gegenüber, vom Diener geleitet, und verbeugte sich. Es waren beide Herren von kleiner und leichter Gestalt. Dem Doctor Keibl verlieh sein noch dunkler, in die Mundwinkel herabgezogener Schnurrbart einen irgendwie französischen Charakter, zusammen vielleicht mit den verbindlichen und etwas altfränkischen Bewegungen der Hände.
    Chwostik, als sie jetzt saßen, war beherrscht von einer nicht abweisbaren widersinnigen Empfindung: daß man sich hier sehr weit weg befinde von jener Gasse, durch die er im Fiaker bis vor das Haus gefahren war, so als hätte dieses Haus eine Tiefe von mehreren Kilometern (zugleich meldete sich bei ihm ein zweifelloses Wissen in bezug auf die Kinderzeit: damals war alles und jedes in einer solchen Weise von ihm aufgefaßt worden, aber seitdem hatte sich die Umwelt verkleinert – auch den Teergeruch vom Holzstöckelpflaster hatte er als Kind ganz so erlebt, aber... wie nur?!). Es waren wenige Meter von hier bis zur Gasse, welche man jetzt allerdings nicht sehen konnte, denn die drei Fenster dieses übergroßen Zimmers öffneten sich gegen den Garten: ihn hätte man in solcher Tiefe und Ausdehnung von der geschlossenen Straßenzeile aus nie hinter diesem Hause vermutet: man sah nur Grün, es war völlig den Blick befangend, und hohe dichte Baumwipfel schlossen alles andere aus, kein benachbartes Haus war sichtbar, auch kein rückwärtiges Ende oder eine Mauer dieses kleinen Parkes.
    Indessen hatte Doctor Keibl schon, während der Diener ein Glas Malaga servierte, geschickt und wohlwollend das Gespräch eröffnet, was bei jedem Zusammentreffen besser derjenige tut, welcher den anderen zu umfassen vermag, und ihn so in seinen größeren Umfang einbezieht: und dieser war hier nun einmal bei dem Oberlandesgerichtsrat, der alles hatte, was Chwostik hatte, nämlich die ganze einst erlebte Spanne und Spannung des Wegs von einer armen Jugend bis zu deren Überwindung, aber eben darüber hinaus die lange Praxis eines komplizierten und vielseitigen Berufs, und die Theorie dazu, ohne welche ja alles in trüber Direktheit und also doch zutiefst irgendwie menschenunwürdig bleibt. So also begann der hohe Jurist damit, daß er Chwostik zu dem großen Schritte vorwärts im Leben, den jener getan, beglückwünschte – das Eintreten in eine so bedeutende und zukunftsträchtige Industrie, zu vergleichen der Einschiffung auf einem großen und seetüchtigem Schiffe mit festem Kurs voraus – und zugleich Chwostiks Wunsch, dies neue Bild seiner Situation auch neu zu rahmen, nicht nur als durchaus berechtigt, sondern geradezu als eine Selbstverständlichkeit bezeichnete. „Ihnen werden ja auch gewisse repräsentative Verpflichtungen noch erwachsen“, sagte er (und wußte sogar mehr als Chwostik! Sein früher erwähnter Verwandter hatte ihm gelegentlich erzählt, daß der Engländer, Mr. Clayton jun. nämlich, in Chwostik eigentlich den künftigen kommerziellen Leiter des ganzen Wiener Unternehmens erblicke, was vernünftigerweise auf eine baldige Erteilung von Procura hinauslaufen müsse, nur habe der ganz Alte in England eingewandt, daß Chwostik dafür noch etwas jung sei, und so möge man zuwarten). „Außerdem herrschen ja im Hause, wo Sie wohnen, Herr Chwostik, bei einzelnen Mietern möglicherweise noch immer gewisse Verhältnisse – nun Sie werden das ja bemerkt haben“ (hier legte Chwostik gleichsam die Ohren zurück, sofort auch war ein Gefühl der Bedrohung da, ganz wie einst bei dem Doctor Eptinger!). „Ich habe dieses Haus seinerzeit geerbt – bereits mit solchen lieblichen Nebenumständen, die ich erstaunlicherweise nicht sogleich zu ändern vermochte – vielleicht hab’ ich mich auch nicht genug bemüht, mag sein. Tatsächlich aber wurde mir ein Wink zuteil, ich möge, angesichts der in diesem Falle geübten behördlichen Toleranz, die Sache auf sich beruhen lassen, als hätt’ ich keine Kenntnis davon; und formal trifft ja hier eine Verantwortung nur den einzelnen Mieter. Nun gut, ich wollte mich damit nie abgeben; auch verwalte ich meine Häuser garnicht selbst. Es gibt dafür eine Art Treuhand-Gesellschaft. Dieser habe ich allerdings mehrmals in der ganzen Angelegenheit strikte geschrieben, die Sache abzustellen. Ob das wirklich geschehen ist, weiß ich nicht. Was hatten Sie denn, Herr Chwostik, zuletzt diesbezüglich für Eindrücke?“
    „Mir ist

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