Die Wassermuehle
geschafft und gut und gern doppelt so viel verdient wie mein Mann. Am besten konnte ich mir die Dinger beim Kartoffelsetzen, Heumachen oder Wäschebügeln ausdenken. Aufgeschrieben habe ich sie nachts, wenn Ludwig und die Kinder schliefen.“
Neugierig nahm Hedi einige der bunten Hefte heraus. Die Baroness von Santen. Ein neuer Roman von Irina Sebenka; Phantom in Grün. Pam Lenson; Denn Dein Herz ist rein. Martina Lenhardt; Der Graue Reiter. Wildwestroman von John D. Dessinger. „Das sind alles Sie?“
Elisabeth nickte. „Von der Landwirtschaft konnten wir ja kaum noch leben. Und ich gebe zu: Es hat mir Spaß gemacht! Nach Schablone zu schreiben geht so schön flott von der Hand. Auf jeden Fall fand ich es angenehmer, als in irgendeinem Büro zu sitzen und einem mürrischen Chef Kaffee zu kochen.“
Hedi legte die Hefte zurück. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“
Elisabeth klappte die Truhe zu. „Wie wär’s mit einem Gläschen Sekt und dem Du?“
Als Hedi mit Christoph-Sebastian zurück in die Eichmühle kam, lag im Flur ein Päckchen aus München. Es enthielt einen flachen Sperrholzkasten und eine Grußkarte mit einem Motiv von Picasso. Hedi klappte die Karte auf.
Liebe Hedi,
wahrscheinlich kann man einer Frau, die im Blickfeld einer Gärtnerei wohnt und Frösche fängt, mit Blumen keine rechte Freude machen; deshalb habe ich mir etwas anderes einfallen lassen. Die Worte, die ich ausgewählt habe, sind noch ein paar Jahrhunderte älter als Deine Mühle und der Spruch von Friedrich Freiherr von Logau, der übrigens von 1605 bis 1655 lebte und jede Menge Spottgedichte verfasste. Nebenbei kämpfte er gegen Intoleranz, Modeunwesen und Sprachverhunzung und war ehrenwertes Mitglied der sogenannten Fruchtbringenden Gesellschaft, einer im 17. Jh. gegründeten Vereinigung zur Förderung der deutschen Sprache. (Ich habe mir erlaubt, ein wenig im Lexikon zu blättern.)
Ich melde mich, sobald ich wieder im Lande bin.
Viele Grüße Wolfgang
Neugierig öffnete Hedi den Kasten. Unter einer Watteschicht lag ein schlicht gerahmter Sinnspruch:
Ton knetend formt man Gefäße. Doch erst ihr Hohlraum, das Nichts, ermöglicht die Füllung. Aus Mauern, durchbrochen von Türen und Fenstern, baut man ein Haus. Doch erst sein Leerraum, das Nichts, gibt ihm den Wert.
Das Sichtbare, das Seiende, gibt dem Werk die Form. Das Unsichtbare, das Nichts, gibt ihm Wesen und Sinn.
Laotse, Dàodéjīng, vermutl. 400 v. Chr.
Als Hedi Watte und Rahmen herausnahm, fiel ein Zettel zu Boden.
PS: Die Keramikschale hat den versprochenen Ehrenplatz bekommen. Deiner ist noch frei.
K APITEL 33
A ls Klaus aufwachte, wusste er einen Moment lang nicht, wo er war. Die Sonne schien durchs Fenster und blendete ihn. Die Kopfschmerzen waren unerträglich. Seine Zunge fühlte sich pelzig an. Er wälzte sich aus dem Bett und stellte erstaunt fest, dass er außer Socken nichts anhatte.
Im Flur duftete es nach Kaffee. Das Wohnzimmer war aufgeräumt, der Tisch im Esszimmer fürs Frühstück gedeckt. In der Küche schüttete Dagmar Brötchen aus einer Tüte in den Brotkorb.
„Guten Morgen“, sagte sie grinsend.
„O Gott!“, sagte Klaus und flüchtete ins Bad.
„Na? Wieder unter den Lebenden?“, fragte sie, als er im Morgenmantel zurückkam.
„Entschuldige bitte. Ich ...“
Sie lachte. „Glaubst du, ich hätte noch nie einen nackten Mann gesehen?“
„Was, um Himmels willen, ist passiert?“
„Du hattest Geburtstag und hast gehörig einen über den Durst getrunken.“
Klaus sah sie zweifelnd an. „Ich kann mich nicht mal daran erinnern, wie ich ins Bett gekommen bin.“
Dagmar zerknüllte die Brötchentüte und warf sie mit einem Schwung in den Papierkorb. „Keine Sorge: fast ohne fremde Hilfe.“
„Warum bist du hier? Ich meine, wieso ...?“
„Ich wollte dir eine Flasche Sekt vorbeibringen. Aber die hattest du nicht mehr nötig. Und jetzt sollten wir frühstücken.“
Dagmar trug den Brotkorb ins Esszimmer. Klaus ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Ich hab ziemlichen Stuss geredet, oder?“
„Jedenfalls bist du nicht halb so verlassen, wie du glaubst.“
Sie holte den Kaffee und schenkte ihm eine Tasse voll ein. Er trank einen Schluck und verzog das Gesicht. „Was soll das heißen?“
Sie schob ihm die Zuckerdose hin. „Zuerst rief Uli an, dann dein Sohn ... dann deine Mutter, danach dein Bruder und zuletzt deine Frau. Einer deiner Nachbarn wollte dir sogar persönlich gratulieren.“
„Ralf?“
Sie schnitt
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