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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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    Dagmar schaute nach links und zog die Brauen zusammen.
    „ Protokollantin?
    Ja, Herr Richter?
    Strafbefehl: einhundert Tagessätze zu fünfundsiebzig Euro. Haben Sie’s?
    Jawohl, Herr Richter.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren: Suchen Sie sich bitte selbst aus, ob Sie dieses Stück für eine Komödie oder für ein Drama halten.“ Dagmar setzte sich. „Der Smirovic lacht sich tot, wenn er den Wisch zugestellt bekommt!“
    Klaus schmunzelte. „Ich vermute eher, dass er nach unbekannt verzogen ist.“
    „Das kann man doch nicht einfach hinnehmen!“
    Klaus wühlte in der Altpapierkiste. „Wo war das gleich noch ...? Ah ja, hier.“ Er nahm eine alte Ausgabe der Offenbach-Post heraus, schlug sie auf und hielt sie ihr hin. „Damit du dich nicht so alleingelassen fühlst.“
    „Ich will’s gar nicht wissen!“
    „Man sollte sich über Zeitgeistströmungen informieren, auch wenn man sie nicht teilt, hm?“
    „Pah!“
    „Hat mir neulich meine Kollegin beigebracht.“ Er las: „ Gericht überlastet. Betrüger fein raus . Weil das Landgericht Darmstadt chronisch überlastet ist, kommen fünf Offenbacher „Posträuber“ ohne Gefängnisstrafen davon. Vor Jahren waren sie gefasst worden und saßen kurzzeitig in Untersuchungshaft.“
    „Könntest du bitte aufhören?“
    „Seither ruhte der Prozess am Landgericht. Jetzt fasste die zuständige Strafkammer den Beschluss, das Hauptverfahren werde nicht mehr eröffnet, weil die angeklagten Taten inzwischen verjährt seien. Weitere Details gefällig?“
    „Nein.“
    „Die Täter kommen folglich ohne weitere Haftstrafe davon. Einer von ihnen hatte in einhundertundsieben Fällen aus Briefen Verrechnungsschecks entnommen. Seine Komplizen kauften sie an und reichten sie auf Konten ein. Der Gesamtbetrag der eingezahlten Schecks soll die Millionengrenze erreicht haben.“
    Dagmar nahm ihre Uniformmütze. „Wir sind zur Streife eingeteilt.“
    „Ausgezahlt wurden an die Ganoven letztlich aber nur einhundertundfünfzigtausend Euro.“
    „Wie tröstlich.“
    Michael Stamm kam herein. „Ihr müsst mal in die Löwenstraße fahren. Familienstreitigkeit.“
    „Scheiße!“, sagte Dagmar.
    Michael sah Klaus an. „Du wirst das Mädel schon ordentlich verderben.“
    Klaus warf die Zeitung zurück in die Kiste. „Überschätze meinen Einfluss nicht, Chef. Das Mädel ist eine gestandene Frau und macht, was es will. Und das ziemlich gut.“
    „Wir treffen uns im Hof“, sagte Dagmar und ging hinaus.
    Michael lachte. „Jetzt hast du sie aber verlegen gemacht.“
    Die Schreie kamen aus einem geöffneten Fenster im dritten Stock eines Hinterhofhauses. Von der schmutziggrauen Fassade bröckelte der Putz; die Haustür stand sperrangelweit offen, die angerosteten Briefkästen waren unbeschriftet, die Namen auf den Klingelschildern verblasst. Im Treppenhaus roch es nach Kohl und Curry.
    „Halt endlich dei dummes Maul, du Depp!“, gellte eine weibliche Stimme von oben.
    Klaus ging voraus. „Schutzmannsparterre, was sonst.“
    „Wie bitte?“, fragte Dagmar.
    „Noch nicht gemerkt? Unsere Kundschaft wohnt grundsätzlich unterm Dach.“
    „Verpiss dich, du Arschloch!“, kreischte die Frau. Eine Tür flog krachend ins Schloss.
    „Gebt endlich Ruh, ihr Wichser do owwe!“, dröhnte es von unten.
    „Nettes Haus“, sagte Dagmar.
    Klaus grinste. Oben hämmerte jemand gegen eine Tür. „Madda! Mach uff!“
    „Guten Tag“, sagte Klaus, als er den letzten Treppenabsatz erreicht hatte.
    Der Mann hielt inne und drehte sich zu Klaus und Dagmar um. Er trug zerschlissene Pantoffeln, grellbunte Shorts und ein verschwitztes Feinrippunterhemd. Seine Lippe war aufgeplatzt, das rechte Auge zugeschwollen und die Bierfahne nicht zu überriechen. Klaus überlegte, woher er ihn kannte.
    „Tach“, sagte er und trat gegen die Tür. „Mach sofott uff, Madda!“
    „Was ist los?“, fragte Klaus.
    „Ausgesperrt hatt mich des Weib!“
    „Wer hat Sie geschlagen?“, fragte Dagmar.
    „Ei, wer wohl!“
    Dagmar klopfte gegen die Tür. „Aufmachen! Polizei!“
    Die Tür ging auf. Der Mann wich einen Schritt zurück und senkte den Kopf. „Ei, Madda, du kannst mich doch net ...“
    „Gebb Ruh, Erwin!“, fuhr Martha barsch dazwischen. Sie trug rosa Leggins unter einer geblümten Kittelschürze und füllte den gesamten Türrahmen aus. „Wos wollt ihr dann hier, hä?“
    Klaus wusste wieder, woher er den Mann kannte. Der Unfall mit der Straßenlaterne und die dicke Taxifahrerin.
    „Haben

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