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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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geschlossen. Hedi rüttelte an seiner Schulter. „Ich will eine Antwort!“
    Er rappelte sich hoch. „Was erwartest du von mir? Dass ich mich nach Feierabend in meiner Wohnung verbarrikadiere? Ich bin kein Eremit.“
    „Hast du mit ihr geschlafen?“
    „Hast du mit deinem Ferrarifahrer geschlafen?“
    „Nein!“
    „Na also.“
    „Und du?“
    Er zog sie zu sich aufs Bett und küsste sie. „Ist das Antwort genug?“ Seine Lippen berührten ihre Stirn, ihre Nase, ihre Wangen. Seine Finger nestelten am Reißverschluss ihrer Jeans.
    „Klaus, ich ...“
    „Sag nichts, ja?“ Seine Hände waren zärtlich, seine Küsse wurden fordernd. Sie hatte sich danach gesehnt. Genießen konnte sie es nicht. Er sah sie an. „Was ist denn?“
    „Hast du es mit dieser Daniela auch hier gemacht?“
    „Egal, was ich sage: Du glaubst mir ja doch nicht.“
    „Warum verschweigst du mir ihren Namen?“
    „Sie heißt Dagmar Streibel, ist eine Kollegin von mir, wohnt in Frankfurt und hat einen festen Freund. Bist du jetzt zufrieden?“
    „Ach? Handelt es sich dabei zufällig um die junge hübsche Dame, mit der du nach eigenem Bekunden bloß dreimal Streife gefahren bist?“
    „Als Uli wegging, hat Michael sie mir als Streifenpartnerin zugeteilt. Ich hab’s mir wahrlich nicht ausgesucht.“
    „Wie bitte? Uli ist nicht mehr bei euch? Seit wann?“
    „Januar.“
    „Warum hast du mir kein Wort davon gesagt?“
    „Du hast nicht gefragt.“
    „Warum ist sie nicht mit einem Taxi heimgefahren?“
    „Weil ich sie gebeten habe, zu bleiben.“
    „Warum?“
    „Du fragst wie ein Kindergartenkind.“
    Hedi stand auf und stopfte ihr T-Shirt in die Jeans. „Und du benimmst dich wie eins!“
    „Was glaubst du eigentlich, wie lange ich diesen Zinnober noch mitmache?“
    „Ich weiß nicht, was du meinst.“
    „Gott, Hedi. Wir sind miteinander verheiratet!“
    „Soll das heißen, du forderst dein Recht auf Beischlaf ein?“ Sie setzte sich aufs Bett. „Bitte: Bediene dich! Angefangen hattest du ja schon.“
    „Wenn es nicht mehr für dich ist, solltest du die Scheidung einreichen.“ Er stand auf und ging aus dem Zimmer. Sie hörte ihn im Bad. Kurz darauf klappte die Wohnungstür ins Schloss.

K APITEL 44
    A lfons Schell war fünfundachtzig, mit sich und der Welt unzufrieden und sagte bevorzugt drei Sätze: Das geht nicht. Das klappt nicht. Das kann ich nicht. Mathilde Wiedebrett war achtundsiebzig, hatte Probleme mit den Beinen, aber keine mit dem Mund. Sie behauptete, dass die Standuhr im Wohnzimmer die richtige Zeit anzeige. Ihre Besucher kamen deshalb seit Jahren zu spät. Gottfried Hübner war vierundsechzig, wog zweieinhalb Zentner und lachte, wenn er auf den Hintern fiel. Katharina Schmidt hatte das gleiche Silberhaar wie Juliette; sie war seit fünf Monaten Witwe, viel zu dünn und weinte viel.
    Hedi hatte sich darauf gefreut, wieder arbeiten zu gehen, und es machte ihr nicht das Geringste aus, um halb fünf aufzustehen, Hühner, Kaninchen und Katzen zu füttern und allein am Frühstückstisch zu sitzen. Sie war es ohnehin nicht anders gewöhnt. Seit ihrem Eingeständnis, dass sie pleite war, verschwand Vivienne ganze Tage in ihrem Meditierzimmer, aber Hedi hatte aufgehört, sich darüber aufzuregen. Es war sinnlos, sie ändern zu wollen. Viviennes scheinbare Souveränität und Emanzipiertheit waren nichts anderes als die Maskerade einer unglücklichen Frau, die ein Problem mit Männern und ein noch größeres mit dem Älterwerden hatte. Und eine Leidenschaft für eine Kunst, die niemand schätzte. Im Grunde genommen konnte sie einem leid tun. Immerhin hatte die Galerie in Wiesbaden inzwischen das erste Bild verkauft. Das machte Hoffnung, auch wenn der erzielte Preis kaum die Materialkosten deckte.
    Die morgendliche Kühle tat gut, und Hedi summte leise vor sich hin, als sie mit ihrem Auto über die Mühlbachbrücke fuhr. Einen richtig hübschen Dienstwagen hatte sie bekommen! Sozialstation Gemeinde Hassbach stand auf beiden Seiten. Sie war stolz, und sie mochte ihre Patienten, die in Hassbach und den umliegenden Dörfern wohnten. Wie früher im Krankenhaus richtete sie Betten, kontrollierte den Blutdruck, verteilte Medikamente, gab Spritzen; sie half beim Aufräumen, Anziehen, Waschen, Essen und hörte sich nebenbei allerlei Sorgen und Nöte an. Es war eine anstrengende Arbeit, aber sie gab ihr endlich wieder das Gefühl, zu etwas nütze zu sein. Und Fälle wie Mathilde Wiedebrett waren glücklicherweise die Ausnahme.

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