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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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vor vier Jahren mit ihrem Mann nach Amerika ausgewandert. Elke arbeitet in einer Londoner Werbeagentur.“
    „Meine beiden gehen noch zur Schule.“
    „Ich weiß.“
    „Gibt es irgend etwas aus meinem Leben, das Ihnen Juliette nicht erzählt hat?“, fragte Hedi verstimmt.
    „Ja: Dinge, die mich nichts angehen.“
    „Entschuldigen Sie.“
    „Schon gut“, winkte Elisabeth ab. „Ich dachte, ich könnte Ihnen vielleicht beim Hühnerstallausmisten helfen.“
    „Das habe ich schon erledigt“, sagte Hedi. „Als Alternative schlage ich vor, dass Sie mit mir und Vivienne Kaffee trinken. Ich habe jede Menge Waffeln gebacken, die Abnehmer suchen.“
    „Das hört sich gut an.“
    „Ich bin Ihnen für Ihre Unterstützung wirklich sehr dankbar, Frau Stöcker“, sagte Hedi, als sie zum Haus gingen.
    „Hatten wir uns gestern nicht auf Elli geeinigt?“
    Hedi streckte ihr die Hand hin. „Hedi.“
    Elisabeth zwinkerte ihr zu. „Ich weiß.“
    In der darauffolgenden Nacht träumte Hedi von Klaus und den Kindern, und als sie morgens aufwachte, glaubte sie einen Moment lang, sie wäre in Offenbach. Zwei Tage lang schwieg das Telefon, dann hielt sie es nicht mehr aus. Das Gespräch mit Klaus endete nach wenigen Minuten im Streit, und danach war sie überzeugt, dass ihre Entscheidung richtig gewesen war, ohne ihn in die Eichmühle zu ziehen. Auch wenn sie zu ihrem Leidwesen feststellen musste, dass Vivienne in puncto Arbeitseifer und Bequemlichkeit ihrem Mann und den Kindern in nichts nachstand.
    Sie konnte so gut bügeln und Betten beziehen wie Klaus; sie ließ ihre Schuhe an den gleichen Stellen fallen wie Dominique und warf statt Tageszeitungen Lifestylemagazine neben das Sofa. Sie spülte nicht, kochte nicht und machte nirgends sauber. Statt angekauter Pizzen standen klumpige Fit-for-fun-Drinks in der Küche herum, und auf dem Teppich im Wohnzimmer fanden sich statt Chipskrümeln Spuren vegetarischer Diätkost.
    Vivienne war unfähig, den Unterschied zwischen Petersilie und Möhrenkraut zu begreifen, Hühner zu füttern oder den Hof zu kehren. Unter frühmorgens verstand sie die Zeit zwischen halb zehn und elf; sie aß hartgekochte Eier, aber längst nicht alles, was auf den Tisch kam. Sie hatte einen erlesenen, aber kostenintensiven Geschmack, nicht nur in kulinarischer, sondern auch in jeder anderen Hinsicht. Mit ihr zusammen ein Haus zu bewohnen, das lediglich über ein Bad und eine Toilette verfügte, grenzte an Masochismus.
    Hedi hatte Rückenschmerzen, Blasen an den Händen und Muskelkater vom Möbelrücken, Deckenstreichen, Misthaufenaufsetzen, Unkrautjäten und Wiesemähen. Nach zwei Wochen träumte sie nachts von Rosa Ecklig und dem Sportteil der Offenbach-Post. Nach drei Wochen machten Klaus und die Kinder immer noch keine Anstalten umzuziehen. Zehn Packungen Eier im Kühlschrank am Sonntagmorgen in der vierten Woche gaben ihr den Rest.
    Sie rannte die Treppe hinauf und riss die Tür zu Viviennes Schlafzimmer auf. „Verdammt! Was soll der Quatsch?“
    Vivienne schreckte hoch und warf einen Blick auf den Wecker. „Halb neun! Was fällt dir ein, mich um diese Unzeit aus dem Schlaf zu reißen?“
    Hedi öffnete die Fensterläden. Der Himmel war grau; es regnete. „Willst du eine Mayonnaisefabrik eröffnen?“
    „Wie bitte?“
    „Wozu brauchst du einhundert Hühnereier?“
    „Siebenundneunzig. Drei habe ich gestern Abend gegessen.“ Sie gähnte herzhaft. „Ich wusste gar nicht, dass man für Mayonnaise Eier benötigt.“
    „Du weißt auch nicht, dass man Reis aus der Verpackung nimmt, bevor man ihn ins kochende Wasser kippt.“
    „Also bitte! Die Tüte sah eindeutig aus wie ein Kochbeutel.“
    „Und die unreifen Kürbisse im Garten sahen eindeutig aus wie grüne Pampelmusen.“
    Vivienne ließ sich in ihre Kissen fallen. „Wie konnte ich ahnen, dass die Dinger noch wachsen?“
    „Entschuldige. Bei der ganzen Genmanipulation heutzutage ist es natürlich nicht auszuschließen, dass Elli aus Versehen Odenwälder Schlingblattpampelmusen ausgesät hat. Was hast du mit den vielen Eiern vor?“
    „Sagte ich doch: essen.“
    „Wir haben draußen Hühner! Die legen täglich welche gratis.“
    „Erstens reicht das nicht, und zweitens haben Professor Dr. Schramms Untersuchungen ergeben, dass braune Eier nicht wirken.“
    Hedi baute sich vor dem Bett auf. „Ist das etwa wieder eine von deinen bescheuerten Diäten?“
    „Ich kann selbst entscheiden, was ich esse, oder? Außerdem könntest du ruhig auch mal

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