Die Wassermuehle
verdreckt und klebrig. Durch knöchelhohen Müll kämpften sie sich zum Wohnzimmer vor, das derart mit Gerümpel vollgestopft war, dass sie nicht hineinkonnten. Dagmar rief Bertold Wicherts Namen, aber sie erhielt keine Antwort. Im Bad roch es nach Fäkalien. In der Badewanne stapelte sich ungespültes Geschirr.
Sie fanden den Toten im Schlafzimmer zwischen schmutzigen Kleidern und Bergen von leeren Bierdosen auf einem Matratzenlager. Den Körper bedeckte ein fleckiges gelbes Federbett; von Berthold Wicherts Gesicht war nicht mehr viel übrig. Dagmar stand da und starrte die Bierdosen an. Klaus hielt sich die Nase zu, ging zum Fenster und zog den Rollladen hoch. Die Fensterscheiben waren voller Fliegen.
Klaus wandte sich an Dagmar. „Sei so nett und sag Michael Bescheid, ja? Ich warte hier, bis die Kollegen vom K 11 kommen.“
Dagmar verschwand. Klaus nahm ein löchriges Handtuch und schlug nach den Insekten. Es war sinnlos. Fluchend öffnete er das Fenster.
„Ich beneide die Kollegen nicht, die den jetzt auspacken und untersuchen müssen“, sagte Klaus, als sie eine Dreiviertelstunde später zum Streifenwagen zurückgingen.
„Mhm“, sagte Dagmar.
„Im Prinzip kann man noch froh sein, dass es im Sommer passiert ist. Bei kalter Witterung hätte er wahrscheinlich monatelang in seiner Wohnung gelegen, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre.“
„Wozu so ein paar Schmeißfliegen doch gut sind.“
„Deine erste Leiche?“
„Im Dienst schon.“
„Lass mich fahren, hm?“
Sie öffnete den Streifenwagen. „Ich wüsste nicht, warum!“
„Du brauchst mir nichts zu beweisen.“
„Was, bitte, sollte ich dir beweisen wollen?“
Klaus stieg auf der Beifahrerseite ein. Die Hitze im Wagen trieb ihm den Schweiß aus allen Poren. Er ließ das Fenster herunter. „Bei meiner ersten Leiche habe ich in die Rabatte vor der Haustür gekotzt“, sagte er lächelnd. „Und die sah um einiges hübscher aus als der da oben.“
Dagmar fuhr los. „Das ist es nicht.“
„Was dann?“
„Warum müssen Menschen sich mutwillig so zugrunde richten?“
„Vielleicht, weil sie einsam sind und keinen anderen Ausweg mehr sehen?“
„Es gibt immer einen anderen Ausweg, als sich sinnlos zu besaufen!“
Klaus wischte sich den Schweiß von der Stirn und stellte die Klimaanlage an. Er sah aus dem Fenster. Die Sonne brachte den Asphalt zum Flimmern; zwei Jungen auf Inlinern fuhren lachend an ihnen vorbei. Er kämpfte gegen aufkommenden Schwindel und das flaue Gefühl in seinem Magen, das er schon seit dem Aufstehen hatte. Es wurde Zeit, dass er etwas Vernünftiges aß.
Dagmar sah ihn an. „Und was war mit deiner zweiten Leiche? Gab’s da auch die passende Rabatte?“
Er schüttelte den Kopf. „Meine zweite Leiche werde ich bis an mein Lebensende nicht vergessen.“
„Und warum nicht?“, fragte sie neugierig.
„Sie hatte ein Brautkleid an und hing an einem Dachbalken. Davon abgesehen war sie meine Schwiegermutter. Bitte sei so nett und halt da vorn bei der Dönerbude kurz an, ja?“
K APITEL 23
Z wei Tage nach dem Beginn der Sommerferien rief Dominique an. „Paps stresst so was von rum, das ist echt nicht zum Aushalten.“
„Ach ja?“, sagte Hedi interessiert.
„Und erst diese oberbescheuerte Ecklig! Die ist kein Schatten ihrer selbst, die ist der Schatten ihres Schattens!“
„Hat sie sich mal wieder über dich beschwert?“
„Mal? Schön wär’s. Paps ist jedesmal stinkesauer, wenn er heimkommt, weil die bekloppte Krähe nonstop bei seinem Chef auf der Matte steht.“
„Dominique!“
„Ist doch wahr. Aber der Obergipfel ist Ralf: Fast jeden Abend hängt der bei uns rum, säuft Bier und sülzt dummes Zeug.“
„Hört sich gemütlich an. Was macht Sascha?“
„Seine geliebte Sabine anbeten. Wie die zuckerklebrigen Turteltäubchen, die beiden. Echt ätzend.“
„Was gibt’s sonst Neues in Offenbach?“
„Oma Resi hat ’ne Standleitung auf Paps’ Handy und kontrolliert stündlich, ob er was Gescheites zu futtern auf den Tisch bringt, und dass er seine Hemden nicht in die Kochwäsche tut.“
Hedi lachte. „Und? Ist sie mit ihm zufrieden?“
„Gestern hat sie ihm eine Liste mit Scheidungsanwälten geschickt.“
Hedi hörte auf zu lachen.
„Mama? Bist du noch dran?“
„Äh ... ja. Was hat er damit gemacht?“
Jetzt lachte Dominique. „Was glaubst du denn, was er damit gemacht hat? Hast du eigentlich ’ne Mikrowelle da draußen?“
„Warum?“
„Übermorgen fährt Peter mit
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