Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)
war.
Ihrer Vermutung nach würde die Überweisung gegen Abend eintreffen, sodass sie Captain Robbins die Bestätigung am nächsten Morgen schicken konnte. Mit etwas Glück hatte er das Geld noch am selben Tag auf seinem Konto. Wenn nicht, würde sie ihn mit schönen Worten zu überreden versuchen, damit sie, Patrick und wer sonst noch dafür abgestellt war, sich schon am nächsten Abend um Seto kümmern durften.
Der Auftrag hatte sich ausgezeichnet entwickelt. Das Geld zu finden, war lächerlich einfach gewesen. Seto war zur leichten Beute geworden. Die einzige Komplikation waren Captain Robbins und seine Truppe. Aber wenn alles nach Plan lief, bekäme Tam schon in vierundzwanzig Stunden einen Großteil seines Geldes zurück, und sie säße am folgenden Morgen im Flieger nach Toronto.
25
D ie Überweisung war tatsächlich in der Nacht zuvor rausgegangen. Ava hatte zwei Kopien der Bestätigung ausgedruckt, rief im Sekretariat von Captain Robbins an und wurde sofort zu ihm durchgestellt.
»Ava, haben Sie gute Nachrichten für mich?«
»Die Überweisung ist letzte Nacht abgeschickt worden. Darf ich Ihnen eine Kopie der Bestätigung vorbeibringen?«
»Ist Patrick da?«
»Ich weiß nicht. Ich war noch nicht unten.«
»Er müsste da sein. Geben Sie sie ihm, er kann sie mir bringen.«
»Das kann ich auch selbst erledigen.«
»Nein, meine Liebe, bitte geben Sie sie Patrick.«
»Das Geld könnte bereits heute auf Ihrem Konto sein«, sagte sie.
»Das wäre schön.«
»Wenn nicht, hoffe ich, dass Sie stattdessen die Kopie als Bestätigung akzeptieren, damit wir uns heute Abend schon um Seto kümmern können.«
»Das ist möglich«, entgegnete er. »Ich ziehe die Dinge auch nicht gern unnötig in die Länge. Lassen Sie mich die Überweisung sehen, danach werde ich Patrick sagen, wie wir weiter verfahren.«
»Vielen Dank.«
Patrick saß lesend in der Lobby. Er lächelte bei ihrem Anblick und hielt die Zeitung hoch, auf der ein Bild des Mannes prangte, dem sie die Nase gebrochen hatte. »Der Kerl behauptet, ganz friedlich an der Ufermauer entlangspaziert zu sein, als er heimtückisch von einer Frau mit einem Kricket-Schläger angefallen wurde. Es wird zur Vorsicht gemahnt, bis die Polizei die Verdächtige findet.«
»Wie dumm muss man sein, um die Aufmerksamkeit derart auf sich zu ziehen?«
»Der Bursche ist eine ganz kleine Nummer. Wenigstens heute Morgen steht er im Rampenlicht. So was kommt hier dauernd vor. Jemandem passiert was Schreckliches, und statt es für sich zu behalten, wollen es die Opfer unbedingt der ganzen Welt, oder zumindest Georgetown, mitteilen.«
»Hier«, sagte sie und reichte ihm einen Hotel-Umschlag. »Könnten Sie den Captain Robbins überbringen? Er erwartet ihn schon.«
Als Patrick zurückkam, saß Ava im Café bei ihrer zweiten Tasse Starbucks Instant, die ihr das Personal bereitwillig zubereitet hatte. Das Büro musste wohl ganz in der Nähe liegen. Er setzte sich mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck. »Der Captain lässt Sie grüßen. Wir haben für heute Abend grünes Licht.«
Sie strahlte. In wenig mehr als einem Tag wären gute Dim Sum nicht länger in unerreichbarer Ferne.
»Was ist mit Setos Freunden? Was hat man ihnen erzählt?«
»Der Captain hat mit dem betreffenden Freund eine kleine Unterhaltung geführt. Er wird ihm einen weiteren Höflichkeitsbesuch abstatten, um ihm mitzuteilen, dass es heute Abend losgeht. Das wird sich herumsprechen.«
»Doch wohl nicht vorzeitig?«
»Da kennen Sie den Captain schlecht«, sagte Patrick. »Alles geschieht genau, wie und wann er es will – ausnahmslos. Sie haben sein Wort, und ich bin hier zum Beweis. Niemand warnt Seto. Das würde keiner wagen. Der Zorn von Captain Robbins ist schrecklich.«
»Wie gehen wir vor?«, fragte sie.
»Meine Leute behalten Seto im Auge. Sobald er Malvern Gardens verlässt, werden wir benachrichtigt.«
»Was, wenn er nicht der üblichen Routine folgt?«
»Dann überlegen wir uns etwas anderes.«
Seine lockere Herangehensweise überraschte sie. Sie war daran gewöhnt, allein zu arbeiten, alles bis ins Kleinste vorzubereiten, mit einer Akribie, die an Besessenheit grenzte. Jetzt musste sie mit einem Team zusammenarbeiten, über das sie keine Kontrolle hatte, und hinnehmen, dass ihr Plan nicht nur den Launen Setos unterworfen war. Patrick spürte ihr Unbehagen. »Ava, wir sind hier in Guyana. Auf die eine oder andere Art werden Sie Seto kriegen, denn der Captain hat es so bestimmt. Wenn es im
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