Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)
sein Mund vor Angst wie ausgedörrt.
Ava nahm ein Glas aus dem Schrank und füllte es mit Leitungswasser, das etwas heller war als das im Hotel. Eindeutig ein besseres Viertel , ging ihr durch den Kopf. »Hier, trinken Sie«, sagte sie und hielt ihm das Glas an die Lippen.
Er zögerte.
»Es ist Ihr eigenes gottverdammtes Leitungswasser«, fuhr sie ihn an.
Vorsichtig nahm er einen Schluck. »Wo ist Ng?«, wollte er wissen.
»Weg, für immer.«
»Das glaube ich Ihnen nicht.«
»Glauben Sie es: Sie haben hier keine Freunde mehr. Niemand wird kommen und Sie retten. Das ist eine Sache zwischen Ihnen und mir, und wie sie ausgeht, hängt ganz von Ihnen ab.«
»Wer hat Sie geschickt?«
»Ich arbeite für Freunde von Andrew Tam. Erinnern Sie sich an ihn?«
»Woher kommen Sie?«
»Aus Hongkong.«
Er wurde still. Sie wusste, dass ihm seine Situation allmählich klar wurde, und er überlegte, wie er sich herauslavieren konnte. Wenn er seine Optionen durchgegangen war, würde ihm nur die Wahl bleiben, die sie ihm ließ. Aber das würde ihn natürlich nicht daran hindern, andere auszuprobieren.
»Andrew und ich haben ein Geschäft gemacht, nichts weiter. Es gab ein paar Probleme mit dem Kunden, ich musste einschreiten und retten, was zu retten war, zu unser beider Wohl.«
»Sie wollen mir also erzählen, Sie hatten bloß Andrews Interessen im Sinn.«
»Unsere Ware war scheiße, deshalb habe ich sie nachbearbeiten und neuverpacken lassen. Anders wäre ich sie nicht losgeworden.«
»Haben Sie das mit Andrew besprochen?«
»Dazu hatte ich keine Zeit. Außerdem war er nur der Geldgeber. Was versteht der schon vom richtigen Geschäft?«
»Anscheinend nicht genug«, sagte sie. »Haben Sie die Ware komplett verkauft?«
»Ja.«
»Und das Geld bekommen?«
Er zögerte. Sie konnte förmlich sehen, dass er fieberhaft überlegte, wie groß die Lüge sein durfte, die er ihr auftischte. »Das meiste«, sagte er.
»Wie viel?«
Er legte den Kopf nach hinten, als hätte sie ihm ein Messer an den Hals gehalten. »Knapp drei Millionen«, stieß er gepresst hervor.
»Wann hatten Sie denn vor, es Andrew Tam zurückzuzahlen?«
»Sobald sich die Lage beruhigt hat. Ich habe noch keine Zeit gefunden, das Geld ist erst vor kurzem angekommen.«
»Aber Sie wollen es Andrew zurückgeben?«
»Natürlich, absolut.«
»Seto Sun Kai«, sagte Ava sanft. »Sie sind ein Dieb und ein Lügner.«
Sie nahm das Messer aus ihrer Tasche, ließ die Klinge herausspringen und presste die Spitze an sein Bein, bis es seine Hose und schließlich seine Haut durchdrang. Es war nicht mehr als ein Piekser. Trotzdem fuhr er erschrocken zusammen, und sein Bein zuckte. »Nicht«, rief er.
Sie strich mit dem Messer seinen Oberschenkel entlang und presste es gegen seine Genitalien. Er verzog das Gesicht und versuchte zurückzuweichen. Nun ließ sie es über seine Brust hoch zu seinem Auge gleiten. Schweißperlen liefen ihm über Stirn und Nase und flossen ihm seitlich das Gesicht hinunter. Sie überlegte, ob sie eine Bemerkung über das Messer machen sollte, doch im Grunde war das unnötig. Seto verstand auch so.
»Seto Sun Kai«, sagte sie ruhig, »ich werde Ihnen erzählen, was ich weiß, und dann, was ich wissen muss. Ich weiß, dass Sie ein Problem mit den Shrimps hatten. Ich weiß, welche Spielchen Sie und Antonelli gespielt haben. Ich weiß, von wem die Shrimps abgeholt wurden, wer sie wiederverpackt hat und wohin sie verkauft wurden. Ich weiß, wie viel Sie dafür bekommen haben. Ich weiß von der kleinen Bank in Texas, wohin das Geld geflossen ist. Ich weiß, dass das Geld von der kleinen Bank auf ein Konto auf die British Virgin Islands überwiesen wurde. Ich habe Kopien der Überweisungen, also weiß ich auch, bei welcher Bank es eingezahlt wurde. Ich weiß, dass Sie als einziger Zugriff auf das Konto haben. Allerdings gibt es zwei Dinge, die ich noch nicht weiß. Wollen Sie raten?«
Er schüttelte den Kopf, und sein Schweiß tropfte auf Avas Hand und das Springmesser.
»Ich kenne weder das Passwort zu Ihrem Computer oben noch das Passwort für Ihr Konto auf den British Virgin Islands.«
Seto verzog das Gesicht und schwieg.
Sie rührte sich nicht. Eine Minute verging.
»Ich warte, Seto Sun Kai.«
»So leicht ist das nicht«, sagte er.
Sie verspürte den ersten Anflug von Gereiztheit. »Ich will Sie und Anna wirklich nicht verletzen müssen«, sagte sie und verstärkte den Druck des Messers an seinem Auge.
»Das Passwort für den Computer
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