Die Wedding-Planerin
Nur weil Standesämter,
Brautmodenläden und Gastrobetriebe so langen Vorlauf benötigen, heißt das ja nicht, dass auch wir Beteiligten den bräuchten.
Garantiert wird mir am Vorabend der Hochzeit die beste aller Überraschungen einfallen.
Meine zappelige Laune inklusive deutlicher Umschwünge selbiger bekommt derzeit Andreas ab. Er muss ziemlich tapfer sein,
wenn ich ihn aus dem Nichts heraus anmeckere für Dinge, die eigentlich kein Problem sind, oder wenn ich keine Lust habe,
mich mit irgendetwas zu beschäftigen und ihn dafür verantwortlich mache. Ich gehe mir selbst unglaublich auf die Nerven mit
meiner Unausgeglichenheit und merke, dass ich meine Umwelt aufs äußerste strapaziere.
Andreas reicht es, er hat mir heute Abend ein Ultimatum gesetzt: «Du hast drei Tage. In dieser Zeit werde ich nichts von
dir verlangen und keine Fragen stellen. Danach solltest du dich sortiert haben. Du weißt doch eigentlich, was du machen willst.
Schreib eine deiner Listen und fang endlich an, irgendetwas zu organisieren, denn so bist du unerträglich.» Das war deutlich.
Es tut mir leid, dass er unter meiner Unentschlossenheit leiden muss und ich nicht weiß, |135| wohin mit mir und meinen Ideen. Und er hat recht: So geht das nicht weiter.
Liste funktioniert aber nicht. Ich sitze vor dem offenen und leeren Dokument und schaffe es nicht, meine Gedanken geordnet
aufzuschreiben und strukturiert in Aktionen zu übersetzen. Ich bin blockiert, am toten Punkt. Ich kann nicht mehr, und ich
will nicht mehr. Schluss jetzt. Ich brauche eine Pause.
«Lass uns wegfahren», schlage ich meinem Freund vor, «ein Wochenende Hochzeitspause. Keine Gedanken über die Vorbereitungen,
keine Gespräche darüber. Einfach nur wir beide. Am liebsten ans Meer, den Kopf freipusten lassen.»
Andreas lässt sich nicht lange bitten, er weiß, dass er die kommenden Monate nur wenig gemeinsame Zeit mit mir haben wird,
und freut sich auf eine Auszeit. Binnen einer Stunde haben wir das nächste Wochenende um zwei Urlaubstage verlängert, ein
Hotelzimmer gebucht und die Fahrt organisiert: Sylt, wir kommen!
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Dienstag, 11. Februar
Stimmung: geklärt
Sound: «So soll es bleiben» von Ich + Ich
Thema des Tages: Es läuft wieder
Strand, Wasser, Wind. Pause von meinem Leben. Genau das, was ich gebraucht habe. Andreas und ich haben ein wunderschönes
langes Wochenende auf Sylt verbracht. Wir sind spazieren gegangen, haben lange geschlafen, endlich mal wieder viel gelesen
und |136| nicht eine einzige Minute über Hochzeiten gesprochen. Ich habe es sogar geschafft, kaum daran zu denken. Das hat mein Unterbewusstsein
für mich übernommen: Träume wie aus einem Horrorfilm haben mich verfolgt. Gerissenes Brautkleid, falscher Tag, Uhrzeit verwechselt,
keine Gäste, Lena total genervt von mir und vorm Altar weggerannt. Schrecklich. Wie soll das eigentlich werden, falls ich
selbst doch mal heiraten werde, wenn ich schon jetzt von Albträumen verfolgt werde? Dennoch habe ich mich erholt und wie
erhofft den Kopf frei bekommen.
Zurück in Hamburg, habe ich folgenden Plan aufgestellt: Als Erstes werde ich mit Lenas und Karls Geschwistern sprechen,
um mir Ansprechpartner in den Familien zu schaffen. Anschließend werde ich eine Rundmail an alle Gäste schreiben und sie bitten,
mich über alle Aktionen auf dem Laufenden zu halten. Je nach Rückmeldungen werde ich überlegen, was noch fehlt, und gucken,
wer noch welche Aufgaben übernehmen kann und will. Später muss ich dann mit Veranstalter Christian noch einige Details klären
und ein Gespräch mit den Pfarrern zwecks Ausgestaltung des Gottesdienstes führen. Die Listen stehen, und ich bin wieder im
Gleichgewicht – der tote Punkt ist überwunden, und ich fühle mich wohl wie ein Fisch im Wasser.
Zunächst aber werde ich mit Lena sprechen, wie weit die Einladungen sind, denn die Gäste sollte ich vielleicht erst ansprechen,
wenn sie wissen, dass sie zur Hochzeit eingeladen sind. Meine Braut ist erfreut darüber, dass ich wieder zurück bin, und
erzählt, dass sie und Karl sich endlich auf einen Entwurf einigen konnten, der bereits in meiner Mailbox auf eine letzte
Abnahme wartet, dann können die Karten in den Druck. Gespannt öffne ich meine Mails und sehe mir ihren Entwurf an. Er ist
gut, sehr gut sogar. Thema: «Jetzt sind wir dran.» Zu sehen sind zehn Bilder der beiden aus den letzten Jahren in immer der
gleichen Situation.
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