Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
etwa, Lady?«, meinte sie und kam aus ihrer Nische hervor. »Meine Mutter war keine Browni!«
»Natürlich nicht. Hör zu, Bonnie, ich brauche unbedingt...«
»Sie schwatzen gern über mich, die blöden Gänse. Aber ich verstecke mich vor ihnen, sodass sie mich nicht finden, denn ihr Verstand ist nicht größer als eine Murmel.«
»Bitte, Bonnie!«, sagte Rodena ungeduldig. »Du musst mir ein Seil besorgen. Ein langes Seil, an dem man vom Fenster neben dem Kerker bis zum Burggraben hinunterklettern kann.«
Bonnie kniff das linke Auge zu und sah Rodena mit schräg geneigtem Kopf an.
»Ein Seil!«
»Ja. So etwas wird es doch irgendwo in der Burg geben, oder?«
»Und damit wollt Ihr zum Kerker hinunterlaufen und Euch noch einmal erwischen lassen?«
Jetzt erst wurde Rodena klar, wie irrsinnig ihre Idee gewesen war. Oh Himmel – warum hatte sie nicht auf Ewan gehört? Sie könnten längst fort sein, zwar ohne Kleider, aber immerhin in Freiheit.
»Es muss irgendwie möglich sein.«
Bonnie seufzte und schüttelte langsam den Kopf.
»Es ist nicht so einfach mit Euch, Lady Rodena. Aber ich tue mein Bestes.«
Rodena hatte inzwischen nachgedacht und eine Entscheidung gefällt.
»Bring mir ein Seil, Bonnie. Ein sehr langes Seil. Und noch etwas brauche ich. Das wird allerdings nicht leicht zu beschaffen sein.«
»Lasst mich raten, Lady. Ein Schwert, eine Rüstung und zwei Pferde, das wäre es doch, was Ihr braucht, oder?«
»Nein, es ist viel einfacher.«
Sie beugte sich zu Bonnie herab und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
»Du liebe Güte«, entfuhr es Bonnie. »Was wollt Ihr denn damit?«
»Wirst du das hinbekommen?«
»Das Ding ist reichlich groß – aber ich schaffe das schon. Wartet hier auf mich.«
Ewan hatte die Klammer mit einem letzten, kräftigen Ruck aus der Wand gerissen – er war frei. Nur die lästige Kette, die um sein Fußgelenk geschmiedet war, behinderte ihn noch ein wenig. Er würde sich das Ding irgendwo in einer einsam gelegenen Schmiede ablösen lassen.
Wütend dachte er an Rodena, die ihren dummen, sturen Schädel hatte durchsetzen müssen. Was für ein Wahnsinn! Er nahm das Ende der Kette in die Linke, bewaffnete sich mit dem Eisenstab und trat aus dem Kerker.
Aus der Kammer der Wächter drangen laute Schnarchgeräusche – die Burschen schienen in tiefem Schlaf zu liegen. So tief, dass sie nicht einmal gehört hatten, wie er die Klammer aus der Wand sprengte. Sehr merkwürdig.
Als er in den Raum der Wächter trat, begriff er den Grund dafür – jemand hatte den Burschen zwei große Krüge mit Wein gebracht, die sie bis auf den letzten Tropfen geleert hatten.
Er ging milde mit ihnen um, stopfte ihnen einige Fetzen als Knebel in die Münder und band sie mit ihren eigenen Gürteln aneinander. Die beiden starrten ihn mit glasigen Augen an und schienen zuerst nicht ganz zu begreifen, was mit ihnen geschah – dann begannen sie zu zappeln, erreichten jedoch wenig damit.
Ewan sah aus dem Fenster und fluchte vor sich hin. Ein schwacher Wind war aufgekommen und trieb die Wolken über den Himmel, sodass die schmale Mondsichel hin und wieder frei wurde. Dann war unten die breite, schwarze Mulde des Burggrabens zu erkennen.
Es war eindeutig zu tief, um einfach hinunterzuspringen, denn das Wasser im Graben war flach. Aber wenn Rodena, diese dickköpfige Person, seinem Plan gefolgt wäre, hätten sie jetzt fliehen können. Stattdessen lief sie in der Burg herum, um ein Seil zu besorgen, und ließ sich dabei vermutlich erwischen.
Er lief zur Tür hinüber, um in den Gang hineinzuschauen – es war sicher nicht mehr lange bis Mitternacht, dann würde die Ablösung für die Wächter kommen, und er musste auf der Hut sein.
Er hasste es, zu warten, und sein Zorn auf Rodena stieg weiter an. Was konnte er tun? Es war so gut wie unmöglich, sie in dieser Burg zu finden, schon weil er keine Ahnung hatte, wohin sie gelaufen sein könnte.
Es blieb nur die Möglichkeit, notfalls ohne sie zu fliehen und sie später auf irgendeine Weise zu entführen. Er begann, den Wächtern die Kleider auszuziehen, und knotete Beinling, Kittel und Hemden aneinander. Sehr lang war dieses Seil nicht – er leerte einige Säcke aus und fügte sie dem Machwerk hinzu. Auch damit war wenig zu gewinnen, und haltbar war dieser Strick auch nicht gerade.
Missmutig wandte er sich wieder dem Fenster zu, um nachzusehen, wo er seine selbstgeknüpfte Leiter befestigen würde – da plötzlich hatte er eine Erscheinung.
Drüben
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