Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
weder der Ärger über die eigene Ungeschicklichkeit noch das spöttische Gelächter der Zuschauer konnten Ewans Eifer mindern. Und siehe da – als Roger schließlich die Aufforderung in die Runde der Gaffer schickte, es ebenfalls zu versuchen, gab es auch unter den Rittern einige, die das Ziel verfehlten.
Roger de Brionne schien seinen Schüler kaum aus den Fängen lassen zu wollen, er verbrachte die folgenden Tage an seiner Seite, nahm mit ihm gemeinsam die kargen Mahlzeiten ein, und auch in der Halle, wo Ewan sein Lager neben den Betten der anderen Männer hatte aufschlagen müssen, schlief Roger de Brionne in seiner Nähe.
Am Abend des siebten Tages, als Ewan erschöpft und schweißbedeckt am Brunnen stand, um sich einen Becher mit Wasser zu füllen, trat sein Lehrer neben ihn und legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Morgen früh wirst du mit uns in die Kapelle gehen und vor dem Priester und allen Anwesenden deinen feierlichen Treueeid ablegen«, verkündete Roger. »Von diesem Augenblick an bist du deinem Laird verpflichtet und wirst für ihn kämpfen, selbst wenn es dein Leben fordern würde.«
Ewan konnte vor Aufregung kaum antworten, doch er nickte.
»Ich habe dich eine ganze Woche lang geprüft«, fuhr Roger lächelnd fort. »Und du hast meine Hoffnungen nicht enttäuscht. Ich habe nur einen einzigen Mann in meinem Leben gekannt, der besser zu Pferde saß und das Schwert kraftvoller führte als du. Doch das ist lange her, Ewan.«
Ewan öffnete den Mund, um zu fragen, wer dieser Mann gewesen sei, doch Roger schien keine Lust auf eine Plauderei zu haben, denn er wandte sich um und ging schlafen.
Am folgenden Morgen kniete Ewan in der Kapelle vor Alister MacBlair und leistete seinen Eid mit großer Ernsthaftigkeit. Er hatte nicht vergessen, dass dieser Mann streng und ungerecht zu seinen Pächtern war, doch die Begeisterung darüber, dass der größte Wunsch seines Lebens in Erfüllung gegangen war, wog mehr als alles andere. Er war bereit, seinem Laird zu dienen und unter Einsatz seines Lebens für ihn zu kämpfen.
Zum ersten Mal sah er nun auch die Frauen, denn etliche von Alisters Rittern waren verheiratet, und ihre Familien lebten mit ihnen auf der Burg. Auch die zweitälteste Tochter seines Lairds, Fiona, erblickte er unter ihnen, sie war von angenehmem Äußeren, hatte liebliche Züge und leuchtend blondes Haar.
Rodena saß neben ihrer Halbschwester, in ein schlichtes, dunkles Gewand gekleidet, das Haar mit einem Band zusammengehalten. Ihre Augen schienen Ewan umschattet, sie war sehr ernst und würdigte ihn keines Blickes. Es wunderte ihn wenig – sie hatte von Anfang an eine tiefe Abneigung gegen ihn gehegt, weshalb sollte sich das jetzt auch geändert haben? Dennoch spürte er Enttäuschung, denn seltsamerweise war es gerade Rodena, die er an diesem Tag hatte beeindrucken wollen.
Roger de Brionne fasste seinen Schüler am Arm, kaum dass er die Kapelle verlassen hatte, und anstatt sich inmitten der Hofgesellschaft an der langen Tafel zu laben, die man in der Halle aufgebaut hatte, musste er ohne Verzug wieder mit dem Training beginnen. Er war enttäuscht und verärgert, denn er hatte geglaubt, aufgrund seiner neuen Würde am Festmahl teilnehmen zu dürfen, ja, er hatte sich sogar Hoffnungen gemacht, besonders freundlich dort aufgenommen und beglückwünscht zu werden.
Auch als es zu regnen begann, dachte sein Meister nicht daran, die Übungen abzubrechen. Schlamm bespritzte Pferd und Reiter, Regenwasser durchtränkte Ewans Kittel, und der hölzerne Lanzenschaft rutschte in seiner Hand, sodass er sein Ziel mehrfach verfehlte.
»Denke nur nicht, dass ein ritterlicher Kampf immer bei Sonnenschein und Maienluft stattfindet!«
Am Nachmittag hockten die Herren Ritter unter dem Schutz der überhängenden Dächer gemütlich im Trockenen und beobachteten grinsend, wie Roger de Brionne seinen Schüler über den matschigen Burghof hetzte. Er war schon ein verflucht strammer Bursche, dieser Bauernlümmel, das mussten sie insgeheim zugeben. Keiner von ihnen hätte unter derartigen Bedingungen so lange durchgehalten.
Am Abend war Ewan schwärzester Laune, und er hasste seinen hartnäckigen Lehrer bis aufs Blut. Als Roger ihn in die Waffenkammer führte und unter den abgelegten, halb verrosteten Rüstungen einige Stücke für ihn auswählte, hob sich Ewans Stimmung nur wenig. Missmutig nahm er die rostige Brustwehr, die Armschienen und den verbeulten Helm in Empfang, dazu erhielt er einige Lappen,
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