Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
die Fensteröffnung hinab in den Burghof. Es war noch ruhig dort unten, nur die Mägde waren in der Nähe der Küche beschäftigt, schleppten Eimer mit Brunnenwasser und Getreidesäcke, und neben dem Brunnen hockte ein Knecht, der sich den Bart schnitt. Neben ihm lehnte Ewan am Brunnenrand, ein Köcher mit Pfeilen hing über seiner linken Schulter, in der Rechten hielt er einen Bogen.
»Der Chief hat es befohlen«, sagte Caja düster. »Nun wird Ewan Turner sich deinetwegen vor allen anderen Rittern lächerlich machen.«
Rodena verspürte heißen Triumph, denn sie hatte ihr Ziel erreicht. Sollte Ewan sich doch Spott einhandeln – er selbst hatte gestern Abend auch dafür gesorgt, dass alle Männer über sie lachten. Es geschah ihm nur recht.
»Er gefällt dir wohl, der Bauer?«, sagte sie spitz zu Caja und lief eilig zu ihrer Truhe, um sich anzukleiden.
»Er ist mehr wert als alle anderen zusammen«, gab Caja zurück. »Und er hat es nicht verdient, dass du dein Spiel mit ihm treibst.«
»Ich treibe kein Spiel«, versetzte Rodena ärgerlich und zog den Gürtel eng um ihre Taille. »Ich mache, was klug und vernünftig ist.«
»Gott der Herr schütze uns vor dem Unglück!«, murmelte die alte Frau und begann, die Decken auf Rodenas Lager zu ordnen.
Ewan empfing Rodena mit einem düsteren Blick, der ihr deutlich bewies, dass er nicht freiwillig gekommen war. Rodena scherte sich wenig darum, boshaft schenkte sie dem jungen Mann ein freundliches Lächeln und dankte ihm überschwänglich für seine Bereitschaft, diese ungewöhnliche Aufgabe zu übernehmen.
»Lass uns in die Heide hinausreiten, damit wir ungestört sind und unsere Pfeile niemanden verletzen«, schlug sie vor und wollte den Weg zum Stall nehmen.
Doch Ewan schüttelte den Kopf.
»Wir werden hier in der Burg mit den Übungen beginnen, Lady. Hinter der Scheune ist ein freier Raum, den wir dafür nutzen können.«
Er klang sehr bestimmend, und Rodena runzelte die Stirn, denn sie fand, dass er sich allerhand herausnahm. Hatte er etwa vor, sie herumzukommandieren, wie Roger de Brionne es mit seinem Schüler tat?
»Weshalb hier in der Burg? Willst du vielleicht, dass uns alle dabei zuschauen?«
»Es ist noch früh, Lady, die meisten schlafen noch. Wir werden ungestört sein.«
Er hatte also vor, sich nicht allzu lange mit dem Unterricht aufzuhalten, denn in spätestens einer Stunde würde der Hof voller Leute sein. Unzufrieden hob sie den Kopf und blinzelte in die ersten, schrägen Sonnenstrahlen.
Ewan versuchte mühsam, die gewaltige Anspannung in seinem Inneren zu verbergen. Wie schön sie am heutigen Morgen war! Wie unternehmungslustig die schwarzen Augen blitzten, wie schlank und biegsam ihr Körper sich unter dem Kittel abzeichnete. Nein, sie schien nicht zu wissen, wer sie gestern am See beobachtet hatte, sonst wäre sie jetzt ihm gegenüber nicht so unbefangen.
»Aber hinter der Scheune wächst Buschwerk«, nörgelte sie. »Da ist zu wenig Platz...«
»Wir werden zu Anfang nur die Handhabung des Bogens und das genaue Zielen üben...«
»Zielen, ohne zu schießen? Draußen in der Heide können wir uns weit entfernte Ziele setzen und...«
»Nein!«, schnitt er ihr das Wort ab. »Es geziemt sich nicht, dass ein Ritter ganz allein mit der Tochter des Lairds durch die Heide reitet.«
Er wartete nicht auf ihre Antwort, sondern ging quer über den Hof zur Scheune hinüber und verschwand hinter dem Gebäude. Kopfschüttelnd folgte ihm Rodena.
»Solch ein Blödsinn!«
Er erwartete sie mit Herzklopfen, bemühte sich, zu Boden zu sehen, als sie auf ihn zulief, denn in seiner Fantasie entstand schon wieder jenes süße Bild, als er sie völlig nackt auf dem Felsen sitzend sah, das Knie angewinkelt, die runden, festen Brüste emporgereckt. Ach, sie hatte keine Ahnung, dass er so gut wusste, welche Schönheit sie hinter diesem lächerlichen Männerkittel verbarg.
»Also fangen wir an!«, befahl sie ungeduldig, als er keine Anstalten machte, sich mit ihr zu beschäftigen.
Ewan gab sich einen Ruck, zog einen Pfeil aus dem Köcher und legte das gefiederte Pfeilende sorgfältig an die Bogensehne.
»Seht genau zu, wie ich es mache«, sagte er und trat einen Schritt zurück, denn seine lernbegierige Schülerin stand so dicht neben ihm, dass er meinte, die Wärme ihres Körpers spüren zu können. Zugleich bemerkte er zu seinem Schrecken, dass seine Männlichkeit sich – ohne, dass er es verhindern konnte – mächtig regte, und er hoffte inständig,
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