Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
er einem Betrüger geschworen hat. Oh, Ewan Turner – wenn du das wirklich tust, dann habe ich mich ganz entsetzlich in dir getäuscht.
Gegen Abend ließ der Regen nach, und düstere Nebel legten sich über die Berge. Man hatte den Pass überwunden und bei dem mühevollen Abstieg die letzten Kräfte verbraucht. Nun tauchte die Reisegruppe in den grauen Dunst ein, der ihr aus den Tälern entgegenwehte. Obgleich sie nur noch wenige Meilen von der Landesgrenze trennten, beschloss Ewan, nicht weiter zu reiten. Die Nacht würde feucht und kalt werden, es war gut, einen trockenen Ort und ein wärmendes Feuer zu finden.
Man kehrte in einem kleinen Gehöft ein, das einsam am Fuß des Berges lag und dessen Bewohner die Reisenden mit düsteren Gesichtern empfingen. Ewan beruhigte die Pächter – man würde nichts von ihnen verlangen, als den Raum und das Feuerholz – alle Lebensmittel führte man auf den Packpferden mit sich.
Auf ihren Ausritten waren Rodena die strohgedeckten Häuser der Bauern hübsch und malerisch erschienen – jetzt, im Grau des Abendnebels, machte das Anwesen einen heruntergekommenen Eindruck. Wie schmutzig und zerlumpt die Kinder waren, die ängstlich vor den fremden Gästen davonliefen, wie feindselig die Blicke des Pächters und seiner Frau. Als sie in den düsteren Innenraum des Häuschens trat, war sie entsetzt. Die Mauern waren dunkel vom Kaminrauch, der Putz bröckelte herunter, und der Fußboden bestand aus der blanken Erde, auf der man Stroh ausgestreut hatte. Eine hölzerne Bank und zwei Bretter, die auf Böcke gelegt zum Tisch wurden, waren die einzigen Möbelstücke, die Hausbewohner schliefen auf Strohsäcken, die man am Abend aufschüttelte und irgendwo in eine Ecke legte.
Ewan ließ den Kamin befeuern und entschied, dass ein Teil der Männer in der Scheune übernachten würde, denn der kleine Raum war zu eng, um alle aufzunehmen.
»Ihr werdet mit Euren Frauen oben auf dem Dachboden nächtigen«, sagte er zu Rodena, die scheu am Eingang stehen geblieben war. »Dort, die Leiter hinauf, Lady.«
Eine der Mägde stieg mit einer Laterne in der Hand voran und leuchtete den engen Raum aus. Spinnweben hingen von den Dachbalken herab, ein paar Säcke und Bündel standen herum, eine kleine Maus huschte ihnen über die Füße und verschwand in einem Häuflein Streu.
»Unten hätte man sich am Kaminfeuer wärmen können«, murrte die Magd. »Hier oben hocken wir in der Kälte, und nass ist es auch.«
Tatsächlich schien das Strohdach in der Nähe des gemauerten Abzugs schadhaft, und die hölzernen Bodenbretter waren dunkel vor Nässe. Man spürte förmlich, wie sich draußen die Nebelschwaden auf das Dach legten und zwischen den Strohhalmen hindurch sacht, aber unaufhaltsam zu ihnen hineindrangen.
Rodena hatte sich inzwischen gefasst – die Lage war nicht zu ändern, also musste man das Beste daraus machen. Sie wies die Mägde an, Decken und trockene Kleider hinaufzutragen, dann schickte sie die Frauen nach unten, um für die Mahlzeit zu sorgen. Alleingelassen saß sie eine Weile neben der Laterne und lauschte auf die Geräusche, die von unten heraufdrangen. Die Ritter lärmten nur verhalten, vermutlich hockten sie müde und missmutig in der Nähe des brennenden Kamins, um ihre Kleider zu trocknen, und warteten hungrig auf die Abendsuppe. Von draußen vernahm sie Ewans kurze, energische Befehle, er teilte die Männer ein, die die Wagen zu bewachen hatten, und schimpfte mit einem der Ritter, der versucht hatte, ein Lamm zu schlachten.
»Sie haben uns mit Speis und Trank zu versorgen«, wehrte sich der Mann trotzig. »So ist es der Brauch, wenn jemand von der Familie des Lairds einkehrt.«
»Hast du meinen Befehl gehört?«
»Ja, Herr«, murrte der Mann kleinlaut.
Kurz darauf brachten die Mägde ihr die Abendsuppe, und Rodena löffelte den Haferbrei schweigend in sich hinein. Vielleicht hatte Ewan ja gar nicht so unrecht, es wäre grausam gewesen, den Bauern, die in solcher Armut lebten, auch noch das wenige Vieh zu schlachten. Waren diese paar Säcke hier oben etwa der ganze Vorrat an Hafer, der den Pächtern noch geblieben war? Sie fröstelte, denn sie hatte das nasse Kleid noch am Leibe und spürte, wie eine seltsame Beklemmung sich auf sie legte. Alisters kostbar eingerichteter Wohnraum fiel ihr ein, die vielen, gut gefüllten Truhen, die reichen Geschenke, die er seinen Töchtern mitgegeben hatte. Er hatte diese Dinge auf den Märkten erworben, wo er Vieh und Korn verkaufte, das
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